In Bulgarien dürfte Premier Bojko Borissow bei einem Sieg von Rumen Radew abtreten.
Belgrad/Sofia. „Ich bin eine normale bulgarische Frau, eine normale bulgarische Mutter“, beteuerte die konservative Parlamentschefin Zezka Zatschewa weinend beim TV-Duell mit ihrem von den oppositionellen Sozialisten nominierten Widersacher Rumen Radew. Die Tränen scheinen ihre drohende Niederlage bei Bulgariens Präsidentenkür am Sonntag kaum mehr abwenden zu können: Laut jüngsten Umfragen liegt Radew mit über zehn Prozent Vorsprung klar vor der von der regierenden konservativen Gerb-Partei nominierten Zatschewa.
Heftige Vorwürfe überschatteten das Finale des Wahlkampfs. Die sich als klare Befürworterin von Bulgariens EU- und Nato-Mitgliedschaft positionierende Zatschewa warf dem früheren Nato-General noch einmal die Nähe zu Moskau, Radew seiner Widersacherin Hörigkeit gegenüber Ankara vor. Beide plädierten dafür, die EU-Sanktionen gegen Russland zu überdenken – und machten sich beim Buhlen der Wähler des ausgeschiedenen nationalistischen Kandidaten für eine rigidere Flüchtlingspolitik und Verstärkung des Grenzzauns zur Türkei stark.
Zenit überschritten
Doch nicht nur wegen des Vorsprungs von 3,5 Prozent aus dem ersten Wahlgang hat der einstige Luftwaffen-Chef Radew gegenüber der wenig charismatischen Regierungskandidatin die besseren Karten in die Hand.
Die Strategie von Premier Bojko Borissow, die Präsidentschaftswahlen zum Referendum über seine Minderheitsregierung zu machen, hat sich für den vom Instinkt verlassenen Politiker als Rohrkrepierer erwiesen. Ein Sieg Radews dürfte nicht nur das Ende der labilen Minderheitskoalition von Gerb mit dem bürgerlichen Reformblock bedeuten, sondern könnte auch das Ende eines scheinbar unaufhaltsamen Aufstiegs Borissows einleiten. (ros)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)