Insignien: Als die Rektoren noch Recht sprechen durften

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Fast alle österreichischen Universitäten besitzen historische Schätze, in denen sich ihre wechselvolle Geschichte zwischen Kirche, Kaiser und Wissenschaft spiegelt. Ein Ausflug in den Pomp vergangener Jahrhunderte.

Wer heute an einer der altehrwürdigen österreichischen Universitäten sein Studium abschließt, darf zum Abschied bei der akademischen Sponsionsfeier noch einen schnellen Blick in eine glorreiche Vergangenheit wagen: Da erscheinen Würdenträger mit wallenden Talaren, mit Nerzkragen, goldenen Halsketten und reichlich verzierten Szeptern. Da wird schon einmal das Banner der Universität gehisst, und die Absolventen schwören mit ihrem „Spondeo“, der Hochschule keine Schande zu machen, auf das Szepter ihrer Fakultät.

Abhängig von Klerus und Adel

Diese Zeremonien und Gegenstände sind Überbleibsel einer (in den meisten Fällen) jahrhundertelangen Geschichte der österreichischen Universitäten, Ausdruck eines früheren akademischen Selbstbewusstseins, das heute nur noch in düsteren Festsälen Platz hat. Mit Ausnahme der ganz neuen Hochschulen – wie der 1966 gegründeten Linzer Universität – bewahren aber alle ihr historisches Erbe auf, restaurieren es und bringen, wenn sich die Gelegenheit bietet, etwas Licht in den „Staub von tausend Jahren“, den die 68er-Rebellen während der Studentenproteste vor 41 Jahren „unter den Talaren“ der Rektoren und Dekane diagnostizierten.

Dabei zeigen die Insignien der Universitäten vor allem eines: dass die Unabhängigkeit der Lehre, der Forschung und der Universitäten immer eine Tochter der Zeit war. In ihrer Symbolik und Ikonografie geben Szepter, Ketten und die Motive darauf recht unverhohlen Aufschluss darüber, an wessen Gängelband die Hochschulen gerade hingen.

Am besten lässt sich das an den Insignien illustrieren, die die Universität Innsbruck in ihrer 340 Jahre langen Geschichte angesammelt hat. Entstanden ist die Universität 1669 auf Basis einer Jesuitenschule. Dementsprechend ist die ursprüngliche Symbolik im Siegel der Universität wie auch auf dem Szepter des Rektors – beide stammen aus dem Jahr 1673 – eine geistliche: Sie zeigen den Landespatron der österreichischen Länder, den heiligen Leopold – ein Bekenntnis zur Geistlichkeit.

Weitere Siegel aus der Urzeit der Innsbrucker Uni demonstrieren, dass damals noch das Bild der Wissenschaften, die dem Glauben entspringen, vorherrschte. So stehen Heilige und biblische Figuren für die einzelnen Fakultäten: Der Gründer des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, symbolisiert hier etwa die philosophische Fakultät, König Salomon, der das Urteil im Streit der Mütter um das Kind fällt, die juristische Fakultät.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Bild von der Universität gewandelt. Während die Kirche nach und nach an Macht verlor, gewannen die Hochschulen an Autonomie – um schon bald vom erstarkenden Staat als Bildungsanstalten vereinnahmt zu werden.

Das äußert sich in den akademischen Insignien der Innsbrucker Universität in der Rektorskette: Die stammt aus dem Jahr 1826 und zeigt (von geistlicher Symbolik ist da keine Spur mehr) das Antlitz des ersten Kaisers von Österreich, Franz I. (II.). „Solche Ketten – die Universität Wien hat auch eine mit dem Bild von Kaiser Franz – sollten klar verdeutlichen, dass die Rektoren und ihre Universitäten jetzt dem Staat untergeordnet sind“, sagt Kurt Mühlberger, oberster Archivar und wissenschaftlicher Betreuer der Insignien an der Universität Wien.

Dort, an der zweitältesten deutschsprachigen Universität, verhält es sich ganz ähnlich. Das älteste erhaltene Szepter, jenes des Rektors, stammt aus dem Jahr 1558 – aus einer Zeit, in der sich die akademischen Strukturen gerade selbstständig machten und neben geistlichen und weltlichen Autoritäten eine dritte Herrschaftsebene darstellten.

„Innerhalb der Universitäten gab es damals eine klare Hierarchie – oben der Rektor, darunter die Dekane an der Spitze ihrer Fakultäten“, erläutert Mühlberger. In dieser Zeit oblag dem Rektor sogar die Rechtsprechung über die Mitglieder seiner Universität, er stand an der Spitze seines eigenen kleinen Reiches. Was sich auch in den Insignien widerspiegelt.

„Vorbild waren eindeutig die Symbole kirchlicher und weltlicher Macht. Die Stäbe des Klerus und die Szepter der Landesherren“, so Mühlberger. Nach diesem Vorbild stifteten betuchte Adelige und Gönner später auch Szepter für die einzelnen Fakultäten, zuletzt kam 1892 das prächtige Banner der Universität dazu. Und wie gesagt: Es ist bis heute in Verwendung.

Wenn man nach dem Wert all dieser Schätze fragt, erntet man bei Historikern nur Unverständnis. Natürlich, einen gewissen Materialwert gebe es – die Szepter sind meist aus Silber und vergoldet –, aber mangels eines entsprechenden Marktes könne man den tatsächlichen Wert nicht beziffern. Über Versicherungssummen schweigt man sich aus.

Generell verhalten sich die Universitäten recht heimlichtuerisch, wenn es um ihre Schätze geht. Aus Sicherheitsgründen, wie man betont – „Schatzkammern“ gibt es etwa nicht, nicht selten lagern die Szepter in einfachen Metallkästen im Universitätsgebäude.

Sogar die Wiener Wirtschaftsuniversität, verglichen mit den bisher genannten Instituten eine sehr junge Hochschule – sie wurde 1889 als k. u. k. Exportakademie gegründet –, verfügt über eine Amtskette für ihren Rektor und ein Szepter. Sie hat ihre Insignien erst in der Zwischenkriegszeit erhalten, als sie zur Hochschule für Welthandel erhoben wurde.

Zu bunt für Habsburg

Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der Großteil der historischen Talare, die sich heute im Bestand der österreichischen Universitäten befinden. Dass sich die Herren im Reich der Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte immer mehr mit Prunk und Pomp ausstatteten, ihre Talare bunt und reich verziert zur Schau trugen und sich generell mehr als Fürsten denn als Lehrer und Forscher gerierten, behagte einem Habsburgerkaiser nämlich gar nicht: Joseph II., als beinharter Reformer gefürchtet, ließ sie als „unvernünftig“ verbieten, zahlreiche Schmuckstücke einschmelzen und reich verzierte Kleidungsstücke „zur Altkleidersammlung geben“, wie es Peter Goller von der Innsbrucker Universität kommentiert.

Um wieder auf die WU zurückzukommen: Wo sie ihre Insignien lagert, wie viel sie wert oder wie sie versichert sind, darüber wird auch hier geschwiegen. Und im Übrigen lege man nicht viel Wert auf den Pomp – den Rektor in Talar und Kette zu sehen, sei in erster Linie Wunsch der Auszuzeichnenden und ihrer Angehörigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2009)

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