Sorge um Zukunft der Vermittlungsmission in Venezuela, regionale Freihandelsabkommen und Obamas Neustart mit Kuba.
Wie eine dichte Wolkenschicht hängt die Ungewissheit über dem südlichen Amerika. Was wird nun aus der Vermittlungsmission in Venezuela, den Freihandelsabkommen mit Kolumbien, Chile und Peru, den Krediten für Argentiniens Neustart und dem Ende des Embargos über Kuba? Die Granma, das Zentralorgan der Castro-Regierung, vermeldete am Tag nach der Wahl Donald Trumps die Ansetzung eines fünftätigen Militärmanövers, das Streitkräfte und Volk „auf mögliche Feindhandlungen vorbereiten soll“. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe war gewiss kein Zufall. Die Insel stellt die Stacheln auf, ehe klar ist, ob Unheil aus dem Norden droht.
Zum Thema Kuba äußerte sich Trump bislang zwiespältig. Zu Beginn seiner Kampagne hatte er – als Einziger der 16 republikanischen Vorkandidaten – Obamas Annäherung begrüßt: „Leute, 50 Jahre sind genug!“ Aber zum Ende der Kampagne gelobte er, das Embargo bleibe aufrecht und die gerade erst eröffnete US-Botschaft werde wieder geschlossen. Die Castros, die bereits zehn US-Präsidenten ausgesessen haben, sandten eine förmliche Gratulation nach Washington.
Kurswechsel in Venezuela
Auch aus Caracas erreichte Trump ein Glückwunsch ohne die üblichen Schimpfworte. Nur Tage vor dem Urnengang hatte Präsident Nicolás Maduro behauptet, die US-Bürger hätten die Wahl zwischen einem „sehr, sehr schlechten und einem noch viel schlechteren Kandidaten“. Im Wahlkampf hat Trump das Thema Venezuela – die mit Abstand schwerste Krise der Region – nur gestreift. Im umkämpften Florida sagte er: „Wir sind auf der Seite der Unterdrückten, und es gibt viele Unterdrückte in Venezuela.“ Dass solch eine Wahlkampfrede tatsächlich ein Einschreiten ankündigt, scheint indes kaum wahrscheinlich, meint der Politologe Edmundo González: „Venezuela ist nicht auf dem Radar der US-Außenpolitik, und daran wird sich auch nichts ändern.“ Kolumbien hatte lang einen wichtigen Platz in Washingtons Weltsystem. Die USA unterstützen die Regierungen Pastrana, Uribe und Santos seit 2000 mit insgesamt zehn Milliarden Dollar im Kampf gegen Rebellen und Drogengangs. Auch bei der geplanten Reintegration der Guerilleros wollten die USA helfen.
Alles Geld für die USA?
Doch nun ist nicht mehr sicher, ob der US-Kongress die vereinbarten 450 Millionen Dollar für das erste Jahr des „Plan Paz Colombia“ freigibt. Zudem sorgt sich Kolumbien – wie auch seine Partner in der Pazifik-Allianz Chile und Peru – um den Fortbestand seines seit 2012 geltenden Freihandelsvertrags.
Argentinien wiederum bangt um künftige Kredite. Das gigantische Infrastrukturprogramm, das Trump mit neuen Schulden finanzieren möchte, dürfte die Finanzierungskosten für viele andere Staaten nach oben treiben. Die Regierung Macri, die in diesem Jahr schon 50 Milliarden Dollar an Krediten aufnahm, wird auch noch weiter Geld leihen müssen, um die mangelhafte Infrastruktur zu verbessern. Doch warnen Ökonomen wie Guillermo Calvo von der New Yorker Columbia University, vor einem „sudden stop“, also der Möglichkeit, dass die US-Großinitiative sämtliche verfügbaren Kreditmittel schluckt.
Argentiniens Präsident, Mauricio Macri, hat seinem Amtskollegen einiges voraus: Er kennt Donald Trump persönlich, und das schon seit langer Zeit. In den 1980er-Jahren wollte die Unternehmerfamilie Macri einen großen Immobiliendeal in New York einfädeln, mit einem lokalen Partner: Donald Trump. Damals verbrachten Macri und Trump viele Wochen zusammen, spielten Golf und aßen Grillfleisch auf Macris Estancia. Doch schließlich trennten sich die Wege im Unfrieden – Trump bootete die Macris aus und machte den Deal allein.
Hoffen auf Milde
Vor einem Jahr erinnerte sich Macri in einem TV-Interview an die Episode und nannte Trump „durchgeknallt“, „exhibitionistisch“ und sprach ihm die Möglichkeit ab, gegen Clinton zu gewinnen. „Seine Positionen sind sehr extrem“, urteilte Macri damals. Nun müssen die Argentinier hoffen, dass Trump nicht nachtragend ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2016)