2017 soll die Bevölkerung über das Ende der Beitrittsverhandlungen abstimmen.
Ankara. Die türkische Bevölkerung könnte nach den Worten von Präsident Recep Tayyip Erdoğan im kommenden Jahr über eine Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen abstimmen. Vorerst sollten sie sich aber gedulden, sagte Erdoğan am Montag in einer Rede in Ankara. Gleichzeitig forderte er die EU-Regierungen auf, sich ebenfalls zu entscheiden, ob sie weiterhin zu der Annäherung stünden.
Erdoğan reagierte damit auf wachsende Kritik aus den EU-Hauptstädten und der EU-Kommission zu den Verhaftungswellen nach dem Putsch und Plänen zur Einführung der Todesstrafe. Auch EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hat die EU-Staaten zu einer „klaren Orientierung“ in Hinblick auf die Türkei aufgefordert. „Ich erwarte mir eine klare Position der Mitgliedstaaten, wie wir in den nächsten Wochen die Gespräche mit der Türkei führen sollen“, sagte Hahn vor Beratungen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel.
Die Vertreter der Mitgliedstaaten berieten vor allem über den kritischen Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Türkei. Er war vergangene Woche veröffentlicht worden und benannte rechtsstaatliche und demokratische Rückschritte.
Obwohl sich zuletzt EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Namen aller Mitgliedstaaten für eine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen ausgesprochen hat, hält Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, Gespräche derzeit für sinnlos. Auch der Luxemburger Außenminister, Jean Asselborn, hat einen härteren Kurs gegenüber Ankara angemahnt. Großbritannien, aber auch Deutschland und Frankreich halten hingegen an den Beitrittsverhandlungen fest. „Wir sollten die Türkei nicht in eine Ecke drängen und nicht in einer Weise übertreiben, die gegen unsere gemeinsamen Interessen wäre“, sagte der britische Außenminister, Boris Johnson, am Rand des Brüsseler Treffens.
Kurz bestätigte Meinungsunterschiede der EU-Staaten zur Türkei. „Eine klare Haltung der Mitgliedstaaten gibt es. Sie ist nur nicht überall die gleiche.“ (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)