ATP-Finals: Thiems Siegpremiere als beste Selbstbestätigung

Dominic Thiem
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Dominic Thiem bezwang Gael Monfils bei den World Tour Finals in London mit 6:3, 1:6, 6:4. Schlägt der Niederösterreich auch Milos Raonic, steht er im Halbfinale.

Gael Monfils ist ein Phänomen. Der Franzose, 30, verkörpert wie kein Zweiter im Tenniszirkus Genie und Wahnsinn, auf spektakuläre Gewinnschläge folgen schier unerklärliche Fehler. Dienstagnachmittag bekamen rund 14.000 Zuschauer in der nicht ganz ausverkauften O2-Arena Gael Monfils in Reinkultur serviert. Sein Gegner, Dominic Thiem, wusste, was ihn zu erwarten hatte, nämlich das Unerwartete. Und in gewisser Weise passte sich der um sieben Jahre jüngere Niederösterreicher im Duell zweier World-Tor-Finals-Debütanten seinem Gegenüber an.

Nach einem soliden ersten Satz (6:3) spielte Thiem plötzlich zwei Klassen schlechter, seinen Schlägen fehlte es an Konstanz. Es war ein permanentes Auf und Ab, für die Zuschauer nicht immer schön anzusehen. Schon im Auftaktspiel gegen Novak Djokovic beklagte der siebenfache ATP-Titelträger einen wundersamen Qualitätsverlust, durch ein 6:1 erzwang Monfils einen Entscheidungssatz. Das Match glich weiter einer Achterbahnfahrt mit Turbulenzen, jene des Franzosen waren schließlich noch größer. Beim Stand von 5:4 aus der Sicht Thiems unterliefen Monfils gleich drei Doppelfehler – eine Steilvorlage. Ein weiterer unerzwungener Fehler des Schlägerartisten aus Paris besiegelte Thiems 6:3, 1:6, 6:4-Erfolg. „Vielleicht war ich heute der Glücklichere.“

London war vorab schon eine Reise wert, nun ist sie es umso mehr. Neben 179.000 Dollar streift der Youngster 200 Weltranglistenpunkte ein, damit verdrängt er Rafael Nadal nächsten Montag von Position acht. Thiem hat am Donnerstag im abschließenden Gruppenspiel gegen Milos Raonic die Chance, mit einem Sieg das Halbfinale zu erreichen. Es wird ein direktes Duell um den Aufstieg. Raonic unterlag im Abendspiel Djokovic, der sich als erster Spieler vorzeitig für das Halbfinale qualifizierte, mit 6:7 (6), 6:7 (5). Thiem ist im Vergleich mit dem Kanadier  Außenseiter, nicht nur aufgrund des negativen Head-to-Heads (0:1), er weiß: "Raonic ist einer der drei besten Aufschläger auf der Tour." Für den Weltranglisten-Vierten ist seine größte Waffe ein beträchtlicher Vorteil, speziell auf einem so schnellen Belag wie in London.

Wiener Werbetrommel

Thiem und Trainer Günter Bresnik sind dieser Tage nicht die einzigen vielbeschäftigten Österreicher in der O2-Arena. Der Tiroler Gebhard Gritsch kümmert sich seit Jahren um den Fitnesszustand von Novak Djokovic, die Turnierdirektoren der beiden einzigen ATP-Turniere in Österreich, Alexander Antonitsch (Kitzbühel) und Herwig Straka (Wien), haben ganz andere Verpflichtungen. Sie nehmen an Meetings der Spielvereinigung teil, es geht um sehen und gesehen werden. Der Rahmen der World Tour Finals ist die perfekte Plattform, um ein paar wichtige Hände zu schütteln, Kontakte zu knüpfen. „Zu netzwerken und persönliche Gespräche zu führen ist selbst im Social-Media-Zeitalter das Allerwichtigste“, erklärt Straka, der seinen alljährlichen Ausflug nach London stets auch dazu nutzt, die Werbetrommel für Wien zu rühren.

Der 50-Jährige hat in den vergangenen Tagen mit Andy Murrays Manager gemütlich gefrühstückt, mit dem Großvater des Schotten hat er im Boot die Themse überquert, er hat von Wien geschwärmt. Dabei ist bei Murray selbst, dessen Familie und seinem Umfeld kaum noch Überzeugungsarbeit nötig. „Es sieht gut aus, dass er auch 2017 in der Stadthalle aufschlägt.“ So schön Wien, so gut organisiert das Event auch sein mag, es garantiert keine Zusagen von Topstars. Novak Djokovic hat seinen Plan für die kommende Saison bereits erstellt, ein Besuch in Österreich ist „zurzeit nicht vorgesehen“, wie Straka der „Presse“ verrät.

Im Fall des in London abwesenden Rafael Nadal – der Spanier beendete das Jahr vorzeitig – hat das Konkurrenzturnier in Basel die besseren Karten. Auch mit Kei Nishikori, Marin Cilic, Gael Monfils und Milos Raonic hat Straka gesprochen. Das Vorgehen ist immer dasselbe. „Beim Spieler schürst du die Emotion, mit dem Manager machst du das Geschäft.“ Allerdings nicht um jeden Preis, es gibt sehr wohl Schmerzgrenzen. Straka: „Ich kann nicht riskieren, für einen Spieler eine Million Euro Startgeld zu bezahlen und hoffen, dass es sich rentieren wird.“ Andere Turniere tun das, Roger Federer bekommt bis zu zwei Millionen Euro Antrittsgeld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

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