USA: Chaos in Trumps Übergangsteam

Donald Trump.
Donald Trump.(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
  • Drucken

Donald Trump hat große Schwierigkeiten, Schlüsselposten in seiner Regierung mit erfahrenen Fachleuten zu besetzen. Moderate Republikaner warnen davor, für ihn zu arbeiten.

Washington. Zwei abrupte Abgänge aus dem Übergangsteam des designierten nächsten US-Präsidenten, Donald Trump, lassen Zweifel an den Hoffnungen seines Vorgängers, Barack Obama, aufkommen, dass Trump eher pragmatisch als ideologisch regieren werde.

Dienstagfrüh erklärte Mike Rogers, der frühere Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Abgeordnetenhaus, überraschend seinen Rücktritt als Trumps Chefberater für Fragen der nationalen Sicherheit und der Geheimdienste. Rogers, ein früherer FBI-Agent, erklärte in einer Aussendung, er sei „stolz auf das Team, das wir bei ,Trump für Amerika‘ zusammengestellt haben, um vernünftige Politik zu produzieren“, doch die Nachrichtenagentur Bloomberg vermeldete unter Berufung auf Beteiligte den wahren Hintergrund: Rogers war gefeuert worden – als letzter der Vertrauten rund um New Jerseys Gouverneur Chris Christie, der bereits am Freitag überraschend als Leiter von Trumps personellen Vorbereitungen demontiert worden war.

Kurz nach Rogers Abgang erklärte Eliot A. Cohen, ein renommierter früherer außenpolitischer Berater von George W. Bushs Außenministerin Condoleezza Rice und davor Politikplaner im Pentagon während George H. W. Bushs Präsidentschaft, dass er entgegen seiner früheren Empfehlung für skeptische konservative Politikfachleute nun davon abrate, für Trump zu arbeiten. „Nach einer Unterhaltung mit dem Trump-Übergangsteam habe ich meine Empfehlung geändert: Haltet euch fern. Sie sind zornig, arrogant, brüllen: ,Ihr habt verloren!‘ Das wird hässlich“, warnte Cohen, Professor für strategische Studien an der Johns Hopkins University in Washington.

Obamas Dilemma

Diese Umwälzungen veranschaulichen den Machtkampf zwischen dem Trump-Team und der etablierten republikanischen Parteispitze. Trump hat diese Konservativen, die vor seinem autoritären Populismus erschreckt sind und sich unter dem Schlagwort „Never Trump“ gegen ihn ausgesprochen haben, mit beinahe ebenso viel Wut angegriffen wie seine demokratische Gegnerin, Hillary Clinton, und den scheidenden Präsidenten, Barack Obama. Dieser steht nun vor einem Dilemma. Einerseits muss er nun mitansehen, wie Trump, der jahrelang an Obamas Geburt in den USA gezweifelt hat, sämtliche politische Errungenschaften seiner achtjährigen Ära zu vernichten plant: von der Krankenversicherungsreform des Affordable Care Act über das Abkommen zur Eindämmung des iranischen Atomwaffenprogramms bis zum Klimapakt von Paris und den strengen neuen Regeln für kalorische Kraftwerke.

Andererseits ist sich Obama seiner staatsmännischen Verantwortung bewusst, eine möglichst reibungslose Amtsübergabe zu fördern, um den USA keinen Schaden durch Chaos in der Regierung zuzufügen. „Ich werde der Erste sein, der sagt: Das ist großartig“, erklärte Obama am Montag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus auf die Frage, was er zu Trumps Ankündigung sage, er werde den Affordable Care Act (vulgo Obamacare) durch etwas Besseres ersetzen. „Er kommt mit weniger festgefahrenen politischen Vorgaben ins Amt als andere Präsidenten“, sagte Obama und fügte hinzu: „Ich denke nicht, dass er ideologisch ist. Er ist letztlich pragmatisch. Und das kann ihm dienen, solange er gute Leute um sich herum hat.“

Giuliani spitzt aufs Außenamt

Doch die Personalauswahl entpuppt sich für Trump als unerwartet große Herausforderung. Ein Beispiel für seine schüttere Vorbereitung: Beim ersten Treffen mit Obama nach der Wahl habe er sich überrascht gezeigt, dass er tatsächlich alle Mitarbeiterposten im West Wing, dem Zentrum der politischen Maschine jedes US-Präsidenten, selbst neu besetzen muss, sagten Ohrenzeugen.

Die Frage, wer Trumps Außenminister wird, spitzt sich jedenfalls rasant zu. Rudy Giuliani, der 72-jährige frühere Bürgermeister von New York, hat laut „Wall Street Journal“ derzeit die besten Chancen. Er hat zwar, im Gegensatz zu John Bolton, dem streitbaren UN-Botschafter unter George W. Bush, keine außenpolitische Erfahrung – aber dafür Trumps Ohr.

AUF EINEN BLICK

Donald Trump muss bis Sommer rund 4000 Posten in der US-Regierung und den Behörden füllen. Doch zwei Monate vor seiner Angelobung hat er Schwierigkeiten, geeignete Leute zu finden. Am Dienstag etwa warf er Mike Rogers aus seinem Team, der als FBI-Veteran und Ex-Kongressabgeordneter für nationale Sicherheit zuständig war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Jill Stein war bei der US-Präsidentschaftswahl angetreten, nun kämpft sie für eine Neuauszählung der Stimmen in Pennsylvania.
Außenpolitik

Pennsylvania: Stein zieht für Neuauszählung for Bundesgericht

Ein Richter hatte den ersten Antrag mit der Forderung nach einer Sicherzeitszahlung in Höhe von einer Million Dollar verhindert. Nun schaltet Jill Stein das Bundesgericht ein.
Peking mahnt Washington zu Vorsicht.
Außenpolitik

Trump verscherzt es sich mit China

Der nächste US-Präsident feindet sich auf Twitter mit Peking an. Er hatte durch ein Gespräch mit Taiwans Präsidentin bei der KP-Führung für Unmut gesorgt.
Ben Carson (2.v.li.) stand Donald Trump im Wahlkampf zur Seite.
Außenpolitik

Ben Carson: Vom Trump-Konkurrenten zum Wohnbauminister

Der ehemalige Neurochirurg soll dem Kabinett von Trump angehören. Carson zählt zu jenem Kreis von Republikanern, die sich ihm gegenüber loyal verhalten hatten.
Donald Trump gefällt Russland und eckt mit China an.
Außenpolitik

Putin: "Trump ist ein schlauer Mann"

Russlands Präsident ist zuversichtlich, dass sich die Beziehungen unter dem nächsten US-Präsidenten verbessern. Mit China hingegen legte sich Trump schon jetzt an.
Symbolbild: Das chinesische Magazin ''Global People''
Außenpolitik

China protestiert gegen Trump-Telefonat mit Taiwan

Der künftige US-Präsident telefonierte mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai und lud den philippinischen Präsidenten Duterte nach Washington ein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.