Noch sollte man Marcel Koller vertrauen, ohne WM-Ticket jedoch nicht mehr.
Teamchefs haben es viel leichter als Klubtrainer. Ihnen wird mehr Zeit zugebilligt, etwas aufzubauen. Sie müssen nicht täglich auf dem Platz stehen, können dafür jede Unform oder fehlende Fitness plump auf ihre Kollegschaft in der Liga abwälzen. Sie haben längere Schonfristen, wenn das zuvor Gefeierte partout nicht mehr gelingen will. Siege heften sie sich stolz an die Brust.
Ihnen wird von Medien oft nachgesehen, dass sie nicht genug Zeit mit Spielern verbringen. Kickt das Gros, wie etwa beim ÖFB-Team, im Ausland, wäre schließlich jeder Verband nur noch ein besseres Reisebüro.
Gibt es Siege, ist eine nach Erfolg lechzende Nation wie Österreich sehr schnell in Euphorie. Bleiben Ergebnisse aus, ist die WM-Qualifikation fraglich, und gelingen selbst gegen harmlose Slowaken weder Tor noch überzeugende Gesamtleistung, ist eine Frage unvermeidlich. Wie lang reicht das Erreichen eines Großereignisses aus, um sich dieses Jobs noch sicher zu sein? Der Blick auf die Jahresbilanz 2016 sollte bei Marcel Koller die Alarmglocken schrillen lassen. Bei Rapid oder Austria wäre ein Trainer mit so einer miserablen Ausbeute – zwölf Spiele, drei Siege –, längst Geschichte.
Diese Überlegung ist allerdings hinfällig, ÖFB-Chef Leo Windtner urlaubt und er neigt dazu, seine Verträge stets zu erfüllen. Und, solang die Chance auf das WM-Ticket noch intakt ist, sollte man Koller trotz des kollektiven Qualitätsverlustes das Vertrauen aussprechen – auch in Ermangelung passender Alternativen.
Bleibt das ÖFB-Team 2018 aber daheim, ist Österreich seit 1998 und dann seit 20 Jahren nicht mehr bei einer WM vertreten – hätte sich jede weitere Diskussion erübrigt. Dann wäre Koller an seinen Verteidiger-, Dreierketten- und Sechserexperimenten gescheitert. Und mit ihm auch Österreichs Fußball.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)