Ein Drittel der Autoimporte in die USA stammt aus Mexiko – noch

Mexiko könnte als Standort für die Autoindustrie durch Donald Trump in große Bedrängnis kommen.
Mexiko könnte als Standort für die Autoindustrie durch Donald Trump in große Bedrängnis kommen.(c) JUAN BARRETO/AFP/picturedesk.com
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Die Autohersteller weltweit sind nach Donald Trumps Aussagen zur nordamerikanischen Freihandelszone Nafta in Alarmstimmung.

Eine Zollmauer zwischen den USA und Mexiko - diese Ansage des künftigen US-Präsidenten Donald Trump im Wahlkampf ist für die Autobranche der blanke Horror. Daimler, BMW und Audi investieren gerade Milliarden in neue Fabriken in Mexiko, um Autos dank niedriger Löhne kostengünstig und ohne Zoll in die USA zu liefern. "Die Hoffnung ist, dass zwischen Wahlkampf und der Präsidentschaft eine möglichst breite Kluft herrscht", fasst Daimler-Chef Dieter Zetsche die Stimmungslage in Stuttgart, München, Ingolstadt und Wolfsburg zusammen.

Trump stellt das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada (Nafta) in Frage und hält Zölle von 35 Prozent für eine gute Idee hält. Das Ziel: Die Autoindustrie zu mehr Produktion und Jobs in den USA zu zwingen. Dieser Protektionismus könnte aber letztlich der US-Wirtschaft schaden, warnen Experten. "Beide Wirtschaften sind so extrem eng verzahnt, dass man eigentlich nur beide kaputtmachen kann, wenn man da eine Trennlinie ziehen würde", sagte Zetsche auf einer Konferenz der "Automobilwoche" in Berlin in dieser Woche.

Deutsche Hersteller haben viel zu verlieren

Die Deutschen haben viel zu verlieren, sollte Mexiko als Werkbank für den US-Markt unrentabel werden: Im kommenden Jahr will Mercedes-Benz zusammen mit seinem japanischen Partner Nissan ein Werk in Aguascalientes eröffnen, in dem zunächst Modelle von Nissan und ab 2018 Kompaktwagen der Marke mit dem Stern für den US-Markt vom Band rollen sollen. BMW feierte im Juni Spatenstich in San Luis Potosi, wo ab 2019 der 3er BMW gebaut werden soll. Audi-Chef Rupert Stadler weihte Ende September das zwölfte Audi-Werk weltweit in San José Chiapa ein. Mit dem SUV Q5 produziert die VW-Tochter damit erstmals ein Modell für den Weltmarkt außerhalb Europas. Nicht weit entfernt ist Puebla, wo Volkswagen seit mehr als 50 Jahren den Großteil der Autos für den US-Markt wie Jetta oder den Käfer-Nachfolger Beetle produziert. An allen Standorten siedelten sich deutsche Zulieferer an, von Bosch und Continental bis hin zu Mittelständlern. Auch sie bibbern.

Derzeit ist Mexiko das siebtgrößte Produktionsland der Branche weltweit, vor Frankreich und Spanien. Ein Drittel der Autoimporte in die USA stammt von dort. Größter Produzent ist derzeit Nissan, gefolgt von Volkswagen und der Opel-Mutter General Motors. Bis 2020 haben die Autokonzerne aus Europa, Asien und den USA nach einer Studie von Roland Berger zusammen bereits Projekte für 17 Milliarden Dollar geplant. Nach einer Prognose des mexikanischen Automobilverbandes wird die Produktion von drei Millionen Fahrzeugen 2014 auf fünf Millionen Stück bis 2020 steigen.

USA würde sich ins eigene Knie schießen

Mexiko sei für die Autoindustrie ein El Dorado, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des CAR-Center Automotive Research. "Das könnte jetzt gebremst werden, wenn Trump seine Mexiko-Politik wirklich umsetzt und das Nafta-Abkommen ändern würde." Stephan Keese, Autoexperte für Nordamerika bei Roland Berger, hält ein Ende des Freihandels mit Mexiko und Importzölle von 35 Prozent dagegen für extrem unwahrscheinlich. Dies würde der US-Wirtschaft letztlich mehr schaden als nützen. Diese Einsicht werde auch zu Trump und seinen Beratern vordringen, erwartete ein anderer Mexiko-Kenner, der nicht namentlich genannt werden wollte. Zölle könnten zwar die Hersteller zur Verlagerung von Kapazitäten in die USA zwingen. "Das würde aber einen Kostenanstieg von 20 bis 25 Prozent bedeuten." Die Preise für Autos müssten dann steigen, die Nachfrage würde sinken und Arbeitsplätze in den USA könnten letztlich wegfallen.

Die US-Autobauer wie etwa Ford wehren sich bereits gegen Trumps Gedankenspiele. Der traditionsreiche Konzern fertigt rund 15 Prozent seiner Pkw im Nachbarland, bei General Motors und Chrysler ist es jeweils sogar rund ein Viertel. Trump hatte sich im Wahlkampf Ford vorgeknöpft und den geplanten Bau von Kompaktwagen in Mexiko eine "absolute Schweinerei" genannt, die es unter ihm als Präsident nicht geben werde. Ford lässt sich von den Drohungen aber nicht abhalten, nach Fiesta und Fusion auch den Focus in Mexiko zu bauen und dafür 1,6 Milliarden Dollar zu investieren. Ford-Chef Mark Fields erklärte, dafür sollten zwei andere Modelle in den Werken im US-Bundesstaat Michigan gefertigt werden. "Der Schritt hat auf Arbeitsplätze keinerlei Auswirkungen", sagte er zu Reuters.

US-Industrie warnt

Auch die übrige US-Industrie kämpft darum, den künftigen Präsidenten von protektionistischen Ideen und einer Abkehr vom Nafta-Vertrag abzubringen. Zwei Millionen Industriejobs hingen vom Handel mit den Nachbarn ab, warnte der Industrieverband NAM. Sollte wider Erwarten die Zollmauer dennoch hochgezogen werden, gäbe es nach Einschätzung von Roland-Berger-Berater Keese noch Alternativen zum US-Markt. So planten Audi und BMW bereits, mit den neuen Fabriken nicht nur die USA, sondern auch Europa zu beliefern. Denn Mexiko hat mittlerweile mit mehr als 50 Staaten Freihandelsabkommen, so viele wie kein anderes Land der Welt. Auch Asien und Australien seien von dort aus gut erreichbar.

Der Branchenexperte, der nicht namentlich genannt werden will, tröstet, es könnte womöglich bis nach der nächsten Wahl dauern, bis das Nafta-Abkommen geändert wäre. "Die Autoindustrie könnte das aussitzen und abwarten, ob Donald Trump in vier Jahren abgewählt wird."

(Reuters/Ilona Wissenbach)

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