Der beste Freund des Jaguar

In Zettners Werkstatt hat man das Gefühl, in der Zeit zurückzureisen. Früher war auch der Platz begrenzter. Die Oldtimer zu parken, gleicht einer Runde Tetris.
In Zettners Werkstatt hat man das Gefühl, in der Zeit zurückzureisen. Früher war auch der Platz begrenzter. Die Oldtimer zu parken, gleicht einer Runde Tetris.(c) Stanislav Jenis
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Christian Zettner fuhr 17.000 Panneneinsätze für den ÖAMTC. Bis er ihn für seine große Leidenschaft, die Jaguar Oldtimer, verließ. Seit drei Jahren betreibt er seine eigene Autowerkstatt.

Die Motorölbar wird am Freitag angeworfen, erzählt Christian Zettner und wartet auf die Reaktion seines Gegenübers. Kurzes Luftanhalten, dann die Auflösung. Natürlich werde zum 90-Jahr-Firmenjubiläum kein echtes Motoröl, sondern dunkelschlieriger Kräuterschnaps in seiner Werkstatt ausgeschenkt. Kleiner Scherz.

Es dürfte eine kuschelige Feier geworden sein. Wie bei jedem alteingesessenen Betrieb ist die Stadt um die Werkstatt Potzmann & Winkler gewachsen, sie selbst nicht. Es erinnert an das Computerspiel Tetris, wenn Zettner einen Oldtimerneuzugang bekommt: Den Jaguar muss er etwas nach links, den Porsche etwas nach hinten schieben. Der Platz ist eng und muss bestmöglich mit den kostbaren alten Wagen gefüllt werden. 1923 ging es auf der Schönbrunner Straße noch beschaulicher, ländlicher zu. Da zog im Haus mit der Nummer 18 ein Hersteller für Elektromotoren ein. 1926 gründeten Gustav Potzmann und Karl Winkler ebendort eine Mechaniker- und Reparaturwerkstatt für Starter und Lichtmaschinen. Während des österreichischen Bürgerkriegs bekam der Betrieb schließlich die Konzession, ganze Autos zu reparieren.


Zeitreise. Kfz- und Schlossermeister Christian Zettner leitet die Werkstatt zwar erst seit drei Jahren. Aber während er einen an den alten Apothekerschränken mit einer bemerkenswerten Literatursammlung zur britischen Traditionsmarke und den gerahmten Schwarz-Weiß-Fotografien aus der Zwischenkriegszeit vorbeiführt, erzählt er die Historie des Hauses, als wäre er selbst dabei gewesen. Etwa damals, 1935, als man zur Zeit des Ständestaats zur Kfz-Fachwerkstätte wurde. Oder 1944, als der Reichsstatthalter von Wien dem Betrieb in seiner heutigen Form mit einem Stempel seinen Sanktus gab.

Am stolzesten ist der 50-Jährige auf eine Maschine, die am hinteren Ende der aus der Zeit gefallenen Werkstatt steht. Das sei der Prüfstand für Lichtmaschinen und Starter aus dem Jahr 1941. Er ist einer der ersten, der in Eigenregie von einem Elektrotechniker entwickelt und gebaut wurde. „Ein Unikat, und noch voll funktionsfähig“, sagt Zettner beinahe liebevoll. Nur eine einzige Messanzeige habe seit damals ausgetauscht werden müssen. Der Prüfstand ist das Ass der Werkstatt, bei elektronischen Gebrechen landen Wiens Oldtimer früher oder später bei Potzmann & Winkler.

Ein Motortester aus den 1960ern und ähnlich lang gediente Prüfstände für Zündkabel und Zündanlagen runden das Angebot für die oldtimeraffine Klientel ab. „Man muss manches Mal auf die alten Dinge zurückgreifen“, sagt Zettner. Erstens bewährten sie sich seit Jahrzehnten. Und zweitens habe man sowieso keine Wahl. Die neuen Automodelle benötigen viele der Testgeräte nicht mehr. Ihre Produktion wurde eingestellt. Zeit und Technik sind vorangeschritten. Nur hier in der Schönbrunner Straße scheinen sie stillzustehen.

Christian Zettner verschlug es beruflich zu Potzmann & Winkler. 22 Jahre arbeitete er für den ÖAMTC. Seine Aufgabe war nicht nur die Ausbildung der Pannenfahrer Wiens. Er fuhr in seiner Karriere beim Verkehrsklub auch selbst an die 17.000 Einsätze. Und dann waren da noch die vom ÖAMTC veranstalteten Oldtimerrallyes, bei denen Zettner als Gelber Engel die liegen gebliebenen Autos wieder flottmachte. Vor 20 Jahren legte er sich selbst seinen ersten Jaguar Oldtimer zu und reparierte ihn in minutiöser Kleinarbeit.


Wertanlage? Nur für Liebhaber.
Als Wertanlage in Niedrigzinszeiten würde er die britischen Oldtimer aber niemandem empfehlen. Es stimme zwar, dass die alten E- und XK-Sportwagen in kürzester Zeit eine Wertsteigerung von zehn Prozent erfahren hätten. Und ja, auf Auktionen würden Sammlerstücke auch schon einmal zwei Millionen erzielen. „Aber den Gewinn, den ich mache, investiere ich in die Nebenkosten.“ Zum Vergleich: Ein modernes Auto muss alle 30.000 Kilometer zum Service, ein alter Jaguar alle 5000 Kilometer. Man muss ihn sehr lieben für so eine Investition – so wie Zettner und die rund 200 Mitglieder in dem von ihm 2012 mitgegründeten Jaguar Enthusiasts' Club.

Als er 2013 hörte, dass die Enkelin von Gründer Gustav Potzmann, Gabriele Joschtel, die Werkstatt abgeben will, musste Zettner nicht lang über den Umstieg in die Selbstständigkeit nachdenken. Auch wenn er nach wie vor „mit Herz und Seele ÖAMTCler“ sei. „Aber hier ist die Leidenschaft größer“, betont er. Vier Mitarbeiter hat er heute. Da ist zuallererst Frau Joschtel, „die gute Seele des Betriebs“, die auch nach ihrer Pension die Reparaturannahme leitet. Ein Mann bedient die Prüfstände, zwei stehen in der Werkstatt. Damit ist der Betrieb auch schon gut gefüllt.

Rund hundert Fahrzeuge reparieren Zettner und sein Team pro Jahr. Rund hundertmal im Jahr müssen die Oldtimer strategisch umgeschichtet werden. „Wir machen von A bis Z alles“, betont Zettner noch. Aber der Schwerpunkt auf alte Gefährte, und hier wiederum auf alte Jaguars, macht ein Rundumblick doch recht deutlich.

Wann er seine eigenen Jaguars das letzte Mal ausgefahren habe? Diesen Sommer, aber nur zweimal. „Ich muss meistens für Kunden Autos testfahren“, sagt er erklärend und setzt mit einem Zwinkern nach: „Die Leute drängen's mir auf.“

Die Spur des Jaguar

. . . führt viele Eigentümer britischer Oldtimer in Wien zu Potzmann & Winkler. Die von Christian Zettner seit 2014 geführte Werkstatt, die auf alte Jaguarmodelle spezialisiert ist, feiert heuer ihr 90-jähriges Bestehen.

Fast so alt wie der Betrieb selbst ist der Prüfstand, an dem heute noch Starter und Lichtmaschinen durchleuchtet werden.

Adresse:Schönbrunnerstr. 18, 1050 Wien

Geöffnet:
Mo–Do: 7.30–16.30h
Fr: 7.30–12h

www.potzmann-winkler.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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