Wermut ist der neue Gin

Hubert Peter verwendet seinen eigenen Wermut namens Wermutlich (links vorn) in der Pop-up-Bar Barrikade auch für Cocktails.
Hubert Peter verwendet seinen eigenen Wermut namens Wermutlich (links vorn) in der Pop-up-Bar Barrikade auch für Cocktails.(c) Clemens Fabry
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Der mit Wermutkraut und anderen Kräutern versetzte Wein taucht derzeit verdächtig oft in der jungen Barszene auf. Der neue Wermutlich kommt nur mit Zutaten aus Österreich aus, das Urgestein Burschik feiert heuer 125. Geburtstag.

Die Zeit ist das Beste, das dem Wermut passieren konnte. Natürlich, Wermut (oder eben Vermouth), gibt es schon lang. Ende des 18. Jahrhunderts soll er in Italien erfunden worden sein – zumindest in jener Form, wie wir ihn heute kennen (Vorgänger gab es schon im alten Rom). In den vergangenen Jahrzehnten hatte der mit Kräutern aromatisierte Wein aber ein weniger gutes Image. Billig, einfach, ein schneller Rausch und dann auch noch süß, hieß es oft. Dann ist er ein bisschen in Vergessenheit geraten. Da konnte selbst James Bond, der seinen Martini mit Gin und Wermut trank, nicht viel machen. Viel eher hat der Gin in den vergangenen Jahren vor allem die junge Barszene geprägt. Ginhersteller sind wie die sprichwörtlichen Schwammerln aufgetaucht, im Schlepptau diverser Tonic-Produzenten. Aber irgendwann ist auch genug damit.

Wermutbar

Stattdessen entdecken junge Menschen den Wermut, die sein schlechtes Image aus den 1970er-Jahren nicht mehr kennen. In Berlin gibt es mit „Alles wird Wermut“ einen Wermut-Onlineshop, der derzeit auf der Suche nach einem Standort für die erste Wermutbar ist. Dort sind auch in jüngster Zeit ein paar neue Wermutproduzenten dazugekommen. Das kann man auch in Österreich beobachten. Der Älteste, Burschik, feiert heuer sein 125-jähriges Bestehen. Das Geschäft mit dem Wermut war nicht immer leicht, sagt Inhaber Leonhard Specht, seit 2012 geht es aber wieder aufwärts.

Neben dem Grazer Gaumengut und dem Stift Klosterneuburg, die beide schon länger Wermut im Programm haben, entdeckt auch die junge Barszene den versetzten Wein für sich. So hat der Bartender Reinhard Pohorec erst vor Kurzem mit Pontica seinen eigenen Wermut entwickelt, der in London ausgezeichnet wurde. Und auch der Vorarlberger Hubert Peter, der in der Marktwirtschaft die Pop-up-Bar Barrikade betreibt, hat heuer gemeinsam mit dem Sommelier Thomas Juranitsch und dem Winzer Michael Andert einen interessanten Wermut auf den Markt gebracht. Den Wermutlich gibt es in den Varianten weiß, rosé und rot – alle drei Sorten wurden aus burgenländischem Zweigelt hergestellt.

„Wermut wird den Gin ablösen, weil Wermut leichter ist, bekömmlicher“, ist Peter überzeugt. Die Leute wollen nicht mehr den großen Rausch, sondern Qualität. Burschik-Inhaber Specht glaubt zwar nicht, dass Wermut Gin überholen wird, dass es mit ihm aufwärts geht, aber sehr wohl.

Aber zurück zu Peters Wermutlich, der demselben Prinzip gehorcht, das er in seiner Bar anwendet: Alles wird selbst gemacht. Und fast alles stammt aus Österreich. Lediglich Biozitronen und weißer Pfeffer werden zugekauft. Peter war zuvor in der Gastronomie als Restaurantleiter tätig und zuletzt im Kussmaul hinter der Bar. Zugekaufte Liköre hat er schon dort nicht verwendet. „Ich mache alles selbst und setzte alles an, von Knoblauch bis Eukalyptus“, sagt Peter. Einen gewöhnlichen Cocktail wie einen Caipirinha könne er gar nicht machen – oder vielmehr wolle er nicht machen, weil er nicht dazu stehen könne. Deshalb liest sich die Cocktailkarte in der Barrikade etwa so: „Rote Rübe, Himbeere, Essig, Schokolade, Kren“ heißt ein Drink. Er werde oft gefragt, wo denn da der Alkohol sei. Die Antwort lautet: überall. Denn dieser Drink ist eine Mischung aus diversen selbst angesetzten Likören.

Da Peter nach dem Selber-machen-Prinzip arbeitet, hat er schon im Kussmaul damit begonnen, Wermut anzusetzen. „Die Nachfrage war da, also hab ich einen gemacht.“ Gemeinsam mit Juranitsch, der damals dort als Sommelier arbeitete, und dem burgenländischen Biowinzer Andert wurde die Wermutproduktion dann professionalisiert. Seit Kurzem ist der Wermutlich auf dem Markt. Dass alle drei Wermuts aus einer Sorte, nämlich dem Zweigelt bestehen, war Peter wichtig. Er wollte damit die verschiedenen Nuancen der Traube hervorheben und zeigen, wie viel sich aus ein und derselben Traube machen lässt. Für den weißen Wermut wurden die Zweigelttrauben mit ganz wenig Schalenkontakt gepresst, er erinnert am ehesten an einen Orange Wine. Beim Rosé wurde die Gärung gestoppt, damit er mehr Restzucker hat. Alle Wermuts wurden mit Tresterbrand – ebenfalls aus Zweigelt – gespritet, also versetzt. Und dann kamen jeweils diverse Kräuter dazu, gesüßt wurde mit Honig. „Es gibt keine fixe Kräutermischung, wir haben das reingegeben, was im Weingarten wächst und für uns gerade passend war.“ So wurden etwa für den roten Wermut verschiedene Minze- und Melissensorten sowie Rosmarin verwendet. Der Rosé wurde u. a. mit Duftrosen verfeinert, der weiße Wermut mit Frühlingsblüten, Holunder oder Salbei. Das namensgebende Wermutkraut ist natürlich in allen drei enthalten.

Komplexe Produktion

Bei der nächsten Abfüllung im kommenden Jahr sollen explizit nicht die gleichen Kräuter verwendet werden. Immerhin soll der Wermut das Jahr widerspiegeln und all das, was in jenem Jahr eben gerade wächst (auch wenn er den Jahrgang nicht auf die Flasche schreiben darf). Für Peter ist diese Vielfalt der Grund für den Erfolg des Getränks.

Burschik-Inhaber Specht glaubt allerdings, dass es ob der doch recht komplexen Produktion nicht plötzlich so viele Wermutproduzenten geben wird, wie das beim Gin der Fall war. „Gin kann jeder machen, der eine Brennblase hat. Bei Wermut geht das nicht so einfach.“ Vielleicht ist auch das der Grund, warum er dieser Tage so geschätzt wird.

Auf einen Blick

Wermut ist ein mit Wermutkraut und Gewürzen versetzter Wein, der mit einer Spirituose gespritet wird. In Wien wird seit 125 Jahren der Wermut Burschik produziert (burschik.com). Seit heuer gibt es den im Burgenland produzierten Wermutlich(wermutlich.at). Neu ist auch der Pontica Red (ponticadrinks.com).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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