D-Day in Wiens SPÖ-Krise

Sonja Wehsely
Sonja Wehsely(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Das Lager von Sonja Wehsely mobilisierte über das Wochenende alle Kräfte, während die Rebellen heute eine (Vor-)Entscheidung erzwingen wollen.

„Sie rufen die Bezirke durch. Sie wollen wissen, wer wo steht und mit wem sie am Montag rechnen können.“ Diese Aussagen waren am Wochenende vor der heutigen SPÖ-Vorstandssitzung am Montag in SPÖ-Kreisen zu hören. Mit „sie“ ist die Fraktion rund um Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely gemeint, die heute, Montag, auf eine direkte Konfrontation mit den roten Rebellen zusteuert – beim Wiener Vorstand, der aus rund 60 roten Spitzenfunktionären besteht.

Dort könnten die Rebellen, die nicht nur aus den bevölkerungsreichen Flächenbezirken kommen, erstmals eine Mehrheit haben. Und diese drohen sie für eine Vorverlegung des Landesparteitags samt Neuwahl der gesamten roten Führungsmannschaft zu nutzen – falls der Richtungsstreit nicht gelöst, sondern (wie angekündigt) auf Jänner vertagt wird. Mit Lösung des Richtungsstreits meinen die Rebellen auch den Rücktritt Wehselys.

Jedenfalls geht es in dieser parteiinternen Auseinandersetzung äußerst schmutzig zu. Am Wochenende wurde ein E-Mail in Umlauf gesetzt, um einen Shitstorm gegen die Rebellen auszulösen. Konkret wurden alle Empfänger dazu aufgerufen, beim Bürgermeister und in der Parteizentrale gegen die Rebellen laut zu protestieren – und auch andere zu motivieren, dasselbe zu tun. Das offenbare Ziel: Mit einer Flut von Beschwerden an Bürgermeister und Parteizentrale soll vermittelt werden, dass sich die rote Basis gegen die Rebellen stellt. Parallel dazu wurde ein altes Drohszenario wieder aufgebaut, um die Bezirke auf die Linie der Wehsely-Fraktion zu bringen, ist zu hören: Falls sich die Rebellen durchsetzen, würde Wohnbaustadtrat Michael Ludwig Bürgermeister. Dann stünde die Tür zur FPÖ offen, es wird vor einer rot-blauen Koalition in Wien gewarnt, die nur Sonja Wehsely verhindern könne. Dieses Gerücht wurde am Wochenende ganz gezielt gestreut.

Dass Michael Ludwig im Vorstand der roten Freiheitskämpfer ist, also im Vorstand der KZ-Überlebenden und roten Antifaschisten ist, wurde bei der Verbreitung dieses gestreuten Gerüchts „vergessen“. Wobei in Rebellenkreisen trocken angemerkt wird: „Sonja Wehsely will eine Wartefrist für neu Zugezogene bei der Mindestsicherung. Sie folgt damit der Politik von Ludwig, der das bei der Wohnungsvergabe eingeführt hat.“ Süffisanter Nachsatz: „Ist Sonja Wehsely plötzlich so rechts wie angeblich Ludwig?“ Dazu wird bei den Rebellen festgehalten: Ex-Bundeskanzler Werner Faymann hätte eine Koalition mit der FPÖ dezidiert ausgeschlossen, Ludwig diese Linie immer voll unterstützt. Unter Christian Kern, der dank des linken Flügels an der Macht ist, gelte das aber nicht mehr – nachdem ein Kriterienkatalog ausgearbeitet wird, mit dem eine rot-blaue Regierung theoretisch möglich wird.

Zu hören war nebenbei, dass sich die Befürworter der Willkommenskultur über das Wochenende mit den Statuten der Partei beschäftigt haben, um einen möglichen Antrag zur Vorverlegung des Parteitages mit Details der Geschäftsordnung blockieren zu können.

Das überraschende Last-minute-Angebot von Michael Häupl, das er am Samstag via „Profil“ den Rebellen ausgerichtet hatte (Trennung der Positionen von Parteivorsitz und Bürgermeisteramt), wird dort von diesen kommentiert: Das sei kein neuer Vorschlag: „Er wurde bereits abgelehnt, weil die Krise nicht auf nächstes Jahr vertagt werden kann.“

AUF EINEN BLICK

Tag der Entscheidung? Ungefähr 60 Personen umfasst das Gremium der Wiener SPÖ, das heute, Montag, zu einer der brisantesten Sitzungen der Wiener SPÖ in den vergangenen Jahren zusammentritt. Vertreter bevölkerungsstarker Bezirke (Donaustadt, Simmering, Liesing) wollen eine Änderungen der Linie – und der Stadtregierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2016)

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