Deutschland: Alle gegen Angela Merkel

Fokus Herbst 2017: Angela Merkel wird die CDU in die Bundestagswahl führen – Sigmar Gabriel ist noch unentschlossen, ob er SPD-Spitzenkandidat werden will.
Fokus Herbst 2017: Angela Merkel wird die CDU in die Bundestagswahl führen – Sigmar Gabriel ist noch unentschlossen, ob er SPD-Spitzenkandidat werden will. (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Die deutsche Kanzlerin hat sich zum Weitermachen entschlossen und damit den Wahlkampf eröffnet. Als Nächstes muss sich die SPD entscheiden: zwischen Sigmar Gabriel und Martin Schulz.

Berlin. Und jetzt? Jetzt sind die anderen an der Reihe. Mit ihrer Ankündigung, bei der Bundestagswahl im nächsten Herbst für eine vierte Amtszeit zu kandidieren, hat Angela Merkel am Sonntag den Wahlkampf eröffnet. Alle haben auf sie gewartet. Nun kann sich die Kanzlerin in die Warteposition begeben und erste Reihe fußfrei verfolgen, mit wem sie es zu tun bekommt.

Besonders unter Druck steht: Sigmar Gabriel. Offiziell will die SPD-Führung den Spitzenkandidaten erst 2017 bestimmen. Aber es gibt Druck in der Partei, es früher zu tun. Sonst würde man Merkel zwei Monate lang die Bühne überlassen. Und die eigene Klientel könnte auf die Idee kommen, dass die SPD niemanden hat, der es mit der Kanzlerin aufnehmen kann oder will.

Das mit dem Wollen ist tatsächlich so eine Sache. In der Partei heißt es: Nachdem er Frank-Walter Steinmeier bei Merkel als Bundespräsidentschaftskandidat der Regierung durchgesetzt hat, müsste Gabriel nur noch zugreifen. Nur tut er es nicht. Er soll von Selbstzweifeln geplagt werden, da die Partei mit ihm nicht vom Fleck kommt – trotz einer Kanzlerin, die über ein Jahr lang wegen ihrer Flüchtlingspolitik in der Kritik war. Die SPD liegt konstant bei 22 bis 24 Prozent, weit hinter der Union, die es immer noch auf 33 bis 35 Prozent bringt.

Und so zaudert, wie Merkel in den vergangenen Monaten, auch Gabriel. Eine Alternative gibt es längst, nämlich EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Er könnte, wenn Steinmeier im Februar Bundespräsident wird, Brüssel verlassen und ins Außenamt nach Berlin wechseln. Berichte, wonach er das nur tun würde, wenn er auch Kanzlerkandidat wird, hat Schulz vehement dementiert. Möglich ist auch, dass Gabriel selbst Außenminister wird und die internationale Bühne für den Wahlkampf nützt.

Nur all-inclusive in der SPD

Lässt er Schulz den Vortritt, müsste er wohl auch als Parteichef abtreten. Schon bei der Wahl 2013 hat Gabriel einen anderen – Peer Steinbrück – vorgeschickt, um sich die erwartbare Niederlage gegen Merkel abzuholen. Um hinterher dann wieder in die erste Reihe zu treten. Ein zweites Mal würde ihm die Partei das nicht durchgehen lassen.

Leicht wird es für den SPD-Spitzenkandidaten, wie auch immer er dann heißt, nicht. Er muss im Wahlkampf die rot-rot-grüne Karte ziehen, um sich von Merkel, der bisherigen Koalitionspartnerin, abzugrenzen. Aber dieses Bündnis hat zwei große Schwächen. Erstens ist nicht sicher, ob es sich rechnerisch ausgeht. Zweitens sind die Grünen in zwei Lager gespalten. Das eine will mit der SPD und den Linken koalieren, das andere mit Merkel.

Daran hängt die Spitzenkandidatenfrage bei den Grünen. Zwei wird es geben, so viel ist klar, und eine wird Katrin Göring-Eckardt heißen. Die Fraktionschefin ist die einzige Frau, die sich beworben hat. Die zweite Nummer eins wird in der Urwahl unter den Parteimitgliedern (die noch bis Jänner läuft) ermittelt. Die Kandidaten sind Parteichef Cem Özdemir, Schleswig-Holsteins Umweltminister, Robert Habeck, und Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter. Letzterer gilt als Linker, die anderen beiden tendieren – wie Göring-Eckardt – zu Schwarz-Grün. Deshalb wird die Personal- auch zur Richtungsentscheidung.

In der Linkspartei dürfte nur Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gesetzt sein. Vielleicht werden ihr Parteichefin Katja Kipping oder Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch zur Seite gestellt. Bei den Liberalen (FDP), die in den Bundestag zurückkehren wollen, wird Parteichef Christian Lindner in der ersten Reihe stehen, während die AfD, die erstmals bei einer Bundestagswahl antritt, mit einem Team in die Wahl gehen will. Parteichefin Frauke Petry wird jedenfalls dazugehören, vermutlich auch ihr Stellvertreter Alexander Gauland.

CDU rückt etwas nach rechts

Vor allem wegen „der Anfechtungen von rechts“ – gemeint war die AfD – erwartet Merkel die schwierigste Wahl seit der deutschen Einheit. Eine Vision für ihre nächste Amtsperiode ist die 62-Jährige am Sonntag aber schuldig geblieben.

Ein Leitantrag der CDU-Spitze für den Parteitag im Dezember gab am Montag erste Aufschlüsse: Man will nicht nur das rot-rot-grüne Gespenst an die Wand malen, um für Merkel zu mobilisieren, sondern auch Wähler von der AfD zurückholen. Und zwar mit einer Law-and-Order-Kampagne: mehr Polizeibefugnisse, mehr Abschiebungen, mehr Regeln für Migranten. Eine Obergrenze bei den Asylanträgen wird es nicht geben, dafür aber das Versprechen Merkels, dass sich das vergangene Jahr nicht wiederholt. Damit wäre auch die CSU an Bord.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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