Türkei: EU-Parlament berät über Aussetzung der Beitrittsgespräche

Es wird ein fraktionsübergreifender Konsens erwartet. Grund für die Unterbrechung ist die Verhaftungswelle nach dem missglückten Putschversuch.

Das Europaparlament berät am Dienstag ab circa 16.30 Uhr über eine Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. An der Plenardebatte in Straßburg wird auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teilnehmen. Die Abgeordneten hatten sich zuletzt mehrheitlich und fraktionsübergreifend für ein Aussetzen der Gespräche ausgesprochen.

Grund ist die jüngste Verhaftungswelle in der Türkei im Gefolge des Putschversuchs. Am Donnerstag wollen die Abgeordneten über einen entsprechenden Antrag abstimmen. Zuständig für Beitrittsverhandlungen ist allerdings die EU-Kommission. Der Beschluss des Parlaments wäre rechtlich nicht bindend, aber symbolisch bedeutsam.

Österreich für Aussetzen der Verhandlungen

Die österreichischen Europarlamentarier haben sich klar für die Suspendierung der Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen. Der Dialog mit Ankara dürfe jedoch auch beim Aussetzen der Verhandlungen nicht abbrechen, betonen die Parteienvertreter am Dienstag in Straßburg. Etwaige Auswirkungen auf das Flüchtlingsabkommen erwarteten sich die EU-Abgeordneten keine.

Der Text findet bei ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, Zustimmung. Mit der Suspendierung der Verhandlungen "stellen wir deutlich klar: So nicht", sagte Karas in Richtung Ankara. Allerdings dürften "nicht alle Brücken" abgebrochen werden. "Die Türkei bleibt - egal in was für einem Zustand - ein Nachbar", erklärte Karas. Die Einstellung der finanziellen EU-Vorbeitrittshilfen müssten geprüft werden.

Die SPÖ-Delegation im Europaparlament äußerte sich ebenfalls für die Suspendierung der Beitrittsgespräche und für "alternative Möglichkeiten der Zusammenarbeit" mit Ankara. Die EU dürfe "nicht Öl ins Feuer gießen", müsse aber ihren Standpunkt klar machen, erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete Eugen Freund. Dass die Türkei beim Einfrieren der Verhandlungen im Hinblick auf das Flüchtlingsabkommen mit der EU auf dem längeren Hebel sitzt, glaubt Freund nicht: "Die Türkei braucht auch Europa."

Die grüne Delegationsleiterin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, nimmt auch die EU-Länder in die Pflicht. Diese sollten Waffenlieferung in die Türkei beenden. Im Hinblick auf die EU-Vorbeitrittshilfen merkte sie an, ein Teil der finanziellen Unterstützung würde an Gesellschaften fließen, die dem türkischen Präsidenten Präsident Recep Tayyip Erdogan nahestehen.

FPÖ fordert "Stopp jeglicher Zahlungen"

Die FPÖ fordert im Gegensatz zu den anderen Parteien einen "sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche und den Stopp jeglicher Zahlungen" an die Türkei. "Die Flüchtlinge sind hier ein anderes Thema", betonte der freiheitliche Abgeordnete Georg Mayer.

Die NEOS-Abgeordnete im EU-Parlament, Angelika Mlinar, will die Resolution für ein Einfrieren der Gespräche "mittragen". Die EU-Vorbeitrittshilfen müssten neubewertet werden, fordert Mlinar.

Ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wäre nur mit einstimmigem Beschluss der EU-Staaten möglich. Vom völligen Abbruch der Gespräche ist eine Suspendierung, das heißt ein Aussetzen oder Einfrieren der Beitrittsverhandlungen für einen bestimmten Zeitraum zu unterscheiden. Diese kann laut dem Verhandlungsmandat mit einer Mehrheit der EU-Staaten entschieden werden.

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