Der Vertrag von Lissabon ersetzt die ursprünglich geplante EU-Verfassung, nachdem die Franzosen und Niederländer diese 2005 bei ihren Volksabstimmungen abgelehnt hatten. Er ist eine „verkürzte“ Form des ursprünglichen Textes, die wesentlichen Punkte wurden aber übernommen.
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Durch den Vertrag soll die EU vor allem effizienter und handlungsfähiger werden. Der aktuelle Vertrag von Nizza, der für die ehemals 15 Länder konzipiert war, gilt als veraltet. So wird in zahlreichen Bereichen die Vetomöglichkeit einzelner Länder abgeschafft und dafür Mehrheitsentscheidungen eingeführt. Die EU, die heute 27 Mitglieder zählt, soll wieder „erweiterungsfähig“ werden.
Die Justiz- und die Innenpolitik werden zu gemeinsamen Angelegenheiten. Das heißt, die Länder haben im EU-Rat keine Chance mehr auf ein Veto: Dort gibt es künftig Mehrheitsentscheidungen. Auch das EU-Parlament wird mitentscheiden. Dazu kommt, dass die EU-Kommission mehr Einfluss auf den Kampf gegen Kriminalität und Terror bekommt.
Es gibt einen neuen Chef: Der EU-Ratspräsident wird künftig für (mindestens) zweieinhalb Jahre gewählt, er wird auch den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs leiten. Derzeit wechselt der EU-Vorsitz noch alle sechs Monate zwischen den Mitgliedern. Weiterhin existieren wird diese Rotation bei den EU-Ministerräten.
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Durch die Reform wird die EU effizienter, der Ratspräsident wird durch die längere Amtszeit an Gewicht gewinnen, und der EU-Außenminister wird in der Welt ein einheitliches Bild der Union abgeben. Nur noch in der sensiblen Außen-, Steuer- und Sozialpolitik müssen weiter alle Länder zustimmen. Verhindert werden soll auch eine Blockade durch das mächtige Trio Deutschland, Frankreich, Großbritannien: Ein Veto kommt nur zustande, wenn es von vier Staaten getragen wird.
Einen EU-Kommissar hat das Land sicher. Auch beim neuen Abstimmungsmodus im Rat schneidet Österreich relativ gut ab: Mehrheitsbeschlüsse sollen von 55 Prozent der EU-Staaten getragen werden, wenn sie mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Im Gegensatz zu Polen etwa, das ein Viertel seines Einflusses einbüßen würde, verliert Österreich relativ wenig Einspruchsrecht: Dieses sinkt von 2,90 auf 2,53 Prozent. Ebenso wie Irland wird Österreich sein Recht auf die Neutralität behalten. Auch die Hoheit über sein Wasser wird es nie abgeben müssen. Es kann auch nicht zur Atomkraft gezwungen werden.
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Der Lissabon-Vertrag macht die Grundrechtscharta verbindlich. Diese sieht soziale Grundrechte vor – von der Grundschulbildung bis zum Streikrecht. Briten und Polen haben sich Ausnahmen gesichert.
Das EU-Parlament, die einzige direkt von den EU-Bürgern bestellte EU-Institution, bekommt mehr Rechte: etwa beim EU-Haushalt, in der Agrarpolitik sowie in der Justiz- und Innenpolitik. Die nationalen Parlamente erhalten dafür eine Kontrollfunktion. Sie können sich künftig im Vorfeld gegen neues EU-Recht aussprechen, wenn der Inhalt national besser geregelt werden kann. Neu ist die Möglichkeit eines „Bürgerbegehrens“: Werden zu einem Thema EU-weit mindestens eine Million Stimmen gesammelt, muss die EU-Kommission auf den Vorstoß reagieren.
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Dann kann das EU-Land austreten. Diese Möglichkeit sieht erstmals ein EU-Vertrag vor.
(c) Die Presse (Clemens Fabry)(
Was der EU-Vertrag wirklich bringt
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