SPÖ-Streit: Warum die roten Rebellen nun ruhig sind

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VORSTANDSSITZUNG DER WIENER SP�: H�UPL(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Die SPÖ startet eine Diskussion, die in Personalentscheidungen münden wird. Die Grenzen zwischen den Flügeln verschwimmen nun.

Wien. Auf den ersten Blick ist es paradox. Die roten Rebellen forderten im SPÖ-internen Richtungsstreit von Michael Häupl ultimativ eine Personalentscheidung vor der Vorstandssitzung am vergangenen Montag. Also zumindest die Ablöse von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Als diese ausblieb, Häupl nur die Erstellung einer inhaltlichen Themenliste in dieser Woche ankündigte (sie soll danach abgearbeitet und diskutiert werden), war es ruhig. Auch der Erklärung des Bürgermeisters, wonach es in der Sitzung „zu 98 Prozent nur um inhaltliche Positionen“ gegangen sei und nicht um eine Personaldiskussion, wurde seitens der Rebellen nicht widersprochen. Und sie halten sich nun (wie von Häupl gefordert) mit öffentlicher Kritik zurück.

„Inhalte mit Personen verknüpft“

Was ist passiert? Gab es in der angeblich entscheidenden Sitzung wirklich keine Personaldiskussion? „Ja, es ist intensiv über Inhalte geredet worden“, ist aus Kreisen der Kritiker zu hören. Trockener Nachsatz: „Das ist der erste Schritt in einem Reformprozess, der natürlich personelle Konsequenzen haben muss. Denn inhaltliche Positionen sind selbstverständlich mit Personen verbunden.“ Um welche Personen ging es, deren inhaltliche Linie letztendlich für personelle Konsequenzen sorgen könnten? „Es wurde in der Sitzung intensiv über die Themen Mindestsicherung und das Gesundheitswesen diskutiert. Also über die Problemfelder im Ressort von Sonja Wehsely“, berichten Sitzungsteilnehmer. Vor allem der kritische Bericht des Rechnungshofes zum Krankenanstaltenverbund (KAV), für den Wehsely politisch verantwortlich ist, habe für einige Wortmeldungen gesorgt, ist zu hören. Immerhin ist in diesem Bericht von völlig überzogenen Gehältern der KAV-Führung die Rede, die gleichzeitig zentrale Verantwortungsbereiche einfach abgeschoben habe. „Es ist völlig klar, dass diese Inhalte direkt mit Personen verknüpft sind“, wird in Teilnehmerkreisen nochmals betont: „Dazu waren die Sparmaßnahmen und Finanzen der Stadt ein Thema.“ Also das Ressort von Finanzstadträtin Renate Brauner, die zur Fraktion um Wehsely und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger gehört. Letztere kämpft mit Problemen bei den Wiener Kindergärten.

Wobei kleine Reibereien nicht ausblieben, wie Sitzungsteilnehmer berichten. Der Simmeringer SPÖ-Chef, Harald Troch, war mit dieser Fraktion demnach kurz und heftig aneinandergeraten. Die Fraktion rund um Wehsely hatte dem SPÖ-Chef von Simmering in der Sitzung vorgeworfen, dass dessen Mitarbeiter E-Mails versandt hatten, die sich gegen den linken Flügel richteten. Wobei vor der Sitzung allerdings auch E-Mails kursierten, mit denen versucht wurde, einen Shitstorm gegen die Rebellen anzuzetteln.

Trotzdem bleibt es nun ruhig. Auch, weil die inhaltlichen Reformdiskussionen automatisch zu personellen Konsequenzen führen werden: „Aber wenn wir es nicht schaffen, unsere Themen klar zu kommunizieren und Reformen durchzuführen, dann brauchen wir bei der nächsten Wahl gar nicht mehr anzutreten“, ist in Rebellenkreisen zu hören: „Es geht um die inhaltliche Frage, wie wir Wähler gewinnen. Manche Ressorts konzentrieren sich leider auf zu kleine Wählergruppen.“
Die inhaltliche Reformdiskussion soll vor der zweitägigen Vorstandstagung Ende Jänner abgeschlossen sein. Dann könnten in einem Zug die Vorstandssitzung, ein vorgezogener Landesparteitag und die SPÖ-Klubtagung über die Bühne gehen. Bei diesen Sitzungen könnten die inhaltlichen Reformen, an denen Personalentscheidungen hängen, auf allen Ebenen beschlossen werden – ist in SPÖ-Kreisen zu hören.

Flächenbezirke für Van der Bellen

Derweil verschwimmen die Grenzen zwischen den roten Flügeln. Manche in der SPÖ merken ironisch an, die Flügel hätten in der Zwischenzeit ihre Positionen getauscht. Immerhin galt Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely immer als Galionsfigur des linken Flügels. Ihr Vorstoß für eine Wartefrist bei der Mindestsicherung für neu nach Wien Zugezogene sorgte beim grünen Koalitionspartner für einen Aufschrei und in der SPÖ für Verwunderung. Im Gegenzug tauchte etwa der Donaustädter SPÖ-Bezirksvorsteher, Ernst Nevrivy, wiederholt demonstrativ bei Veranstaltungen des ehemaligen grünen Bundesparteichefs Alexander Van der Bellen auf – um ihn im Bundespräsidentenwahlkampf gegen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer zu unterstützen. Nevrivy, der als Speerspitze der Rebellen gilt, wurde bisher im rechten SPÖ-Flügel verortet – ihm wurde vom Flügel um Wehsely immer Nähe zur FPÖ unterstellt. Nun lässt er sich mit Van der Bellen lächelnd fotografieren. Auch aus anderen Flächen- bzw. Rebellenbezirken ist zu hören: Man sei auf der Seite von Alexander Van der Bellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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