Rund um die Anzeige gegen Ernst Strasser kamen seltsame Vorgänge ans Licht. Die Staatsanwaltschaft ignoriert mit teilweise grotesken Begründungen den Amtsmissbrauch und stürzt sich auf die undichte Stelle.
Wien. Was passiert, wenn die Staatsanwaltschaft in derselben Causa zwei Anzeigen erhält? Eine gegen den früheren Innenminister Ernst Strasser wegen Amtsmissbrauchs, eine wegen Verrat von Amtsgeheimnissen (weil der mögliche Amtsmissbrauch an die Öffentlichkeit gelangt ist). Seit der Sitzung des U-Ausschusses vom Donnerstag weiß man es: Sie ignoriert mit teilweise grotesken Begründungen den Amtsmissbrauch und stürzt sich auf die undichte Stelle.
Anlassfall waren die sogenannten Strasser-E-Mails, die zahlreiche Interventionen von ÖVP-Politikern sowie parteipolitisch motivierte Postenbesetzungen dokumentierten. Ein Journalist hatte der Staatsanwaltschaft die E-Mails zugeschickt, Exminister Strasser den Geheimnisverrat angezeigt. Und da passiert die erste Seltsamkeit: Staatsanwalt Christian Walzi erklärt vor dem U-Ausschuss, er habe die E-Mails, im Akt immerhin ein Konvolut von rund 150 Seiten, „übersehen“. Sein Ermittlungsauftrag an das Büro für Interne Angelegenheiten beinhaltet dann zwar auch den Amtsmissbrauch, konkrete Ermittlungsschritte fordert er aber nur in der anderen Angelegenheit ein. Und zwar exakt jene, die Strasser in seiner Anzeige angeregt hatte: Das BIA solle beim Grün-Abgeordneten Peter Pilz nachsehen, ob der einen Datenträger mit den E-Mails besitzt und diesen gegebenenfalls beschlagnahmen.
Dass Pilz in dem Verfahren als Zeuge und nicht als Beschuldigter geführt wurde, passt in die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft, wie sie im U-Ausschuss schon in mehreren Fällen zur Sprache kam. Damit ersparte man sich eine Aufhebung der Immunität des Abgeordneten. Zur Beschlagnahme ist es übrigens nie gekommen. Walzi ist folgerichtig auch nicht aufgefallen, dass der Bericht des BIA sich mit dem gewichtigsten Vorwurf, jenem des Amtsmissbrauchs Strassers – übrigens Gründer und früherer Vorgesetzter des BIA –, überhaupt nicht befasst hat. Sehr wohl bemerkt hat es das Justizministerium, das weitere Ermittlungen beauftragte. Die führte Walzis Nachfolger, Staatsanwalt Stefan Apostol, der dann aber auch nichts strafrechtlich Relevantes herausfinden konnte. Denn inzwischen war bereits ein Jahr vergangen, in den meisten Fällen wäre das Delikt, so vorhanden, verjährt gewesen. „Die Staatsanwaltschaft schützt die Regierung und verfolgt die Opposition“, meinte Pilz. Auch Ewald Stadler (BZÖ) sprach von einer „politischen Justiz“.
BVT schützt Prominente
Detail am Rande: Aus einem Verfahren gegen den früheren Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT), Gert Polli, geht hervor, dass Prominente besonderen Schutz genießen: Observiert wurde eine iranische Delegation, die in Österreich Biowaffen einkaufen wollte. Bei einem Treffen der Delegation mit Exminister Karl Blecha (SPÖ) sollten die BVT-Ermittler so fotografieren, dass Blecha nicht auf den Fotos aufscheint.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 2.10.2009)