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Nun sag, wie hast du's mit der Globalisierung?

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Kolumne Handel kommt in Österreichs Schulbüchern schlecht weg. Das ebnet Populisten von links und rechts den Weg.

Nun sag, wie hast du's mit der Globalisierung?“ Die Antwort der Populisten von links und rechts auf die neue Gretchenfrage des 21. Jahrhunderts ist simpel: Der Handel mit den bösen Nachbarn muss ein Ende haben, dann gibt es wieder Jobs, hohe Löhne und auch im November Sonnenschein bei uns daheim. Diese Linie fährt ein Donald Trump übrigens ebenso wie der Aktivist Christian Felber mit seinen „Zehn Thesen gegen den Weltmarkt“. Letzterer, ein ausgebildeter Tänzer, gilt in zwei heimischen Schulbüchern übrigens als bedeutender Ökonom. Aus einem dritten Schulbuch wurde Felber eben entfernt.

Doch der angebliche „Lobbyerfolg der Industrie“ (© Felber) ist nicht der Rede wert. Denn manche Schulbuchautoren brauchen den Wirtschaftsautodidakten nicht, um Stimmung gegen Handel zu machen. Erst kürzlich zeigte eine Studie der Ökonomen vom GAW, dass Wirtschaftsschulbücher der Unterstufe mit Fehlern gespickt sind oder schwere ideologische Schlagseite aufweisen. „Die Presse“ berichtete – die Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Der Verband der Schulbuchverleger kündigte eine „Qualitätsoffensive“ an. Konkrete Fehler sollten ausgebessert werden. Doch man solle das Ergebnis nicht überbewerten, ätzten Kritiker. So groß könne der Einfluss der Bücher auf die Schüler nicht sein.

Diese gewagte These wollten die GAW-Ökonomen nicht ungeprüft stehen lassen. Sie legten je 50 Schülern der zweiten Klasse Unterstufe einen von zwei Texten zum Thema Handel vor und stellten danach die Frage: „Wie findest du Handel mit anderen Ländern?“ Eine Gruppe las die verkürzte Darstellung eines Interviews des – eher linksgerichteten – deutschen Volkswirten Peter Bofinger, in dem er den Handel grundsätzlich begrüßt. Die zweite Gruppe erhielt diesen Text aus einem aktuellen Schulbuch: „Die weltweiten Gütertransporte sind eine starke Konkurrenz. (. . .) Meist wird dort produziert, wo es am billigsten ist. Dadurch gehen Arbeitsplätze bei uns verloren. Zu den Bedingungen, unter denen die Menschen arbeiten, steht in einem Zeitungsbericht: ,Bangladesch: Achtstöckige Textilfabrik eingestürzt. Das Fabrikgebäude wies bereits am Vortag des Einsturzes Risse auf. Die Arbeiterinnen wurden trotzdem gezwungen, ihren Tätigkeiten nachzugehen. Die Folgen: mehr als 1100 Tote und 2500 Verletzte.‘“ Nach der Lektüre waren die Schüler mehrheitlich sicher: Handel ist schlecht. Jene Schüler, die stattdessen erfahren haben, was Ökonomen zu dem Thema sagen, fanden Handel hingegen irgendwie doch gut.

Überraschung: Was in Schulbüchern steht, bleibt in den Köpfen der Kinder hängen. Natürlich bringt die Globalisierung auch Nachteile mit sich. Dennoch sollte sich Österreich im Unterricht keine ideologische Schlagseite leisten. Stattdessen müssen alle Fakten auf den Tisch. Etwa auch die Tatsache, dass Österreich sechs von zehn Euro im Ausland verdient. Um zu kombinieren, dass dafür ein vielleicht doch nicht so böses fremdes Land unsere Produkte kaufen muss, brauchen die Zwölfjährigen vermutlich weder Peter Bofinger noch Christian Felber.

matthias.auer@diepresse.com

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2016)