Aktienmärkte: Kein Grund zur Panik, oder doch?

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Die Börsen werden derzeit von Angst und Euphorie beherrscht. Während die Kurse in den USA steigen, wird der europäische Markt von politischen Risken gehemmt.

Wien. Das Jahr ist zwar in wenigen Wochen gelaufen. An ruhige Momente ist trotzdem nicht zu denken. An den Finanzmärkten kann sich in naher Zukunft nämlich noch einiges abspielen – im positiven wie im negativen Sinn. Abhängen wird dies im Wesentlichen von zwei Faktoren: dem Verfassungsreferendum in Italien und der Mitte Dezember stattfindenden Sitzung der US-Notenbanker (siehe nebenstehenden Bericht). Gehen beide Ereignisse anders aus als erwartet, könnte das die Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischen.

Damit das nicht passiert, warf Vítor Constâncio, der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, in der Vorwoche ein paar Beruhigungspillen auf den Markt: Abhängig vom Ausgang des Referendums in Italien werde man erwägen, „ob wir etwas tun müssen oder nicht“. Von Experten wird dies als Hinweis darauf verstanden, dass die Notenbank ihre Anleihenkäufe über den März hinaus fortsetzen wird.

Dass die Anleger zuletzt etwas nervös geworden sind, zeigt auch der Volatilitätsindex VStoxx. Dieser stieg in den vergangenen Tagen an, von seinem November-Hoch ist er aber noch weit entfernt. Doch muss man auch das große Bild sehen: Zwar sind die Ängste der Anleger heute größer als noch vor drei Jahren, aber dennoch kleiner als im Vorjahr.

Während Europas Marktteilnehmer zurzeit eher pessimistisch gestimmt zu sein scheinen, überwiegt in den USA die Euphorie. „Der Markt konzentriert sich derzeit auf das Positive“, sagt Christian Schmitt, der die strategische Ausrichtung des Fonds Ethna-Dynamisch mitgestaltet. Der Wahlsieg von Donald Trump hat die Börsen nur wenige Stunden belastet, bevor sie zu einem Höhenflug angesetzt haben.

In der Vorwoche übersprang der Leitindex Dow Jones erstmals in seiner Geschichte die Marke von 19.000 Punkten. Selbst vom seither anziehenden Dollar, der die Exporte für Unternehmen verteuert (und somit negativ für eine Volkswirtschaft ist), lassen sich die Anleger nicht abschrecken. „Die letzten Jahre hat gegolten: Die US-Aktienmärkte legen zu, wenn die Lage gut ist, wenn sie schlecht ist, stagnieren sie, aber so richtig fallen tun sie nicht“, sagt Schmitt.

Zwei Börsenwelten

Während Schmitt die US-Börsen jedoch ein Stück weit für ausgereizt hält, glaubt er an einen Aufwärtstrend in Europa. Dass die hiesigen Börsen schlechter dastehen, sei auf die Qualität der Firmen und die Sektorenstruktur zurückzuführen. Viele US-Firmen seien im Vergleich zu europäischen Unternehmen rentabler und weniger kapitalintensiv. Auf dem alten Kontinent dümpelten die Gewinne seit Jahren dahin. Zudem hätten sich die Erwartungen der Analysten meist nicht erfüllt. „Nun sehen wir aber zum ersten Mal, dass sich die Lage stabilisiert.“ Zeigten Investoren Europa lang die kalte Schulter, fließen nun wieder Gelder in den Markt.

Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets ist dennoch skeptisch: „Wir leben in einer Welt der zwei Geschwindigkeiten. Die amerikanischen Börsen antizipieren eine Wachstumsbeschleunigung und eine höhere Inflation im kommenden Jahr, die europäischen Märkte sehen ein maues Wachstum und geringe politische Planungssicherheit.“

Anders als in den USA hat Europa seine Zinswende auch noch nicht eingeläutet. Vielmehr ist anzunehmen, dass die EZB weiterhin aus allen Rohren feuern wird. Christian Nolting, der für die globale Anlagestrategie bei Deutsche Bank Wealth Management verantwortlich ist, glaubt, dass die EZB ihr Kaufprogramm um ein halbes Jahr verlängern wird, erst danach werde sie ihre Interventionen schrittweise zurückfahren.

Während die Zinsen in Europa noch eine Weile niedrig bleiben dürften, erwartet der Experte in den USA (maximal) drei Leitzinserhöhungen bis Ende 2017.

Den nächsten Zinsschritt Mitte Dezember haben die Märkte bereits eingepreist. „Kommt er nicht, wäre das allerdings ein Riesenschock“, sagt Schmitt.

Moderates Plus erwartet

Wie stark die Börsen in den kommenden Monaten steigen werden, hängt freilich nicht nur von den Notenbanken ab. In Europa stehen im kommenden Jahr Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland an. Im Jänner wird dann Donald Trump als Präsident vereidigt, erst im Anschluss wird man sehen, ob und welche Drohungen tatsächlich wahr gemacht werden.

Für den europäischen Aktienindex Eurostoxx erwarten die Experten von Deutsche Wealth Management bis Ende des kommenden Jahres jedenfalls nur einen überschaubaren Anstieg auf 3100Punkte (derzeit bei rund 3040Punkten). Dem US-Aktienmarkt trauen sie hingegen neue Rekordstände zu. Im breiten Standard-&-Poor's-500-Index glauben sie an einen Anstieg um bis zu sechs Prozent.

Regionale Präferenz hat der Vermögensverwalter jedoch keine – abgesehen von Japan. Aber das ist eine andere Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

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