Der ÖVP ist nicht mehr zu helfen

Die letzten Mohikaner der früheren Volkspartei machen das Einzige, was sie noch können: aufeinander schießen. Unser Mitleid gilt Sebastian Kurz.

Die Satire-Redaktion der Österreichischen Zwergenpartei, vormals bekannt als Österreichische Volkspartei, ließ am Montag folgendes Kommuniqué zur Unterhaltung der werktätigen Massen und Funktionäre verbreiten: „Zwischen ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka fand Montagvormittag ein klärendes Gespräch statt. Dazu wird Folgendes festgehalten: Die Irritationen wurden ausgeräumt. Klubobmann Reinhold Lopatka steht zu seiner Erklärung vom Donnerstag der vergangenen Woche, die er ohne Information des Bundesparteiobmanns abgegeben hat, was er bedauert. Weder der Bundesparteiobmann noch der Klubobmann der ÖVP hat eine Wahlempfehlung für die Bundespräsidenten-Stichwahl abgegeben, sondern ließ lediglich eine persönliche Präferenz erkennen.“

Der Humor stirbt zuletzt.

Zur kurzen Übersetzung für all jene, die die amüsante Geschichte der beiden schwarzen Reinholds nicht verfolgt haben – wofür es gute Gründe gibt. Also: Der ÖVP-Bundesparteivorstand beschließt ausdrücklich, keine Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl abzugeben. Immerhin ist der eigene Mann gescheitert, der kleine schwarz-grüne und der große Europa-Flügel werden Alexander Van der Bellen wählen, der rechtskonservative und der schwarz-blaue Flügel für Norbert Hofer stimmen. Nationalratswahlen stehen vor der Tür, also auch die damit verbundenen Koalitionsverhandlungen. Daher beschlossen die ÖVP-Altpolitiker, die den Begriff Granden so lieben, den Ball besser sehr flach zu halten. So weit, so pragmatisch-ängstlich.

Ausgerechnet dem amtierenden ÖVP-Chef, Reinhold Mitterlehner, gefiel es dann jedoch, vorerst eine zögerliche und später ein deutlichere Wahlempfehlung für Van der Bellen abzugeben, zeitgleich meldeten sich Ex-Parteiobmänner und Ex-Minister als Unterstützer für den Ex-Grünen-Chef. (Davon gibt es bekanntlich sehr, sehr viele.)

Reinhold Lopatka, erratischer ÖVP-Klubchef, hielt dagegen. Immerhin hatte der Mann als Wahlkampfmanager mit kreativen Warnungen vor den Grünen in einer Regierung (flächendeckende Einführung von Haschtrafiken, Sieg des Kommunismus, Verbot der Rinderhaltung) für Furore gesorgt. Zwar wurde Lopatka von allen maßgeblichen Parteifreunden zuletzt geraten, sich zurückzuhalten, aber das scherte den Ich-Klubchef nicht. Er verkündete in der „Krone“, Hofer zu wählen. Mitterlehner reagierte erbost („Illoyalität“) und holte sich den Klubchef zur Kopfwäsche. Doch selbst nach dieser weigerte sich der Steirer zurückzutreten.

Damit war das Parteichaos perfekt. Die gemeinsame Erklärung und die gewundenen Formulierungen machten die Blamage für Partei und deren Chef perfekt.

Nur wenige Tage nachdem SPÖ-Chef Christian Kern mit seinem rot-blauen Flirt für Verwunderung intern und extern gesorgt hat, sich die Genossen in Wien gegenseitig das Messer ansetzen, schafft es die ÖVP in kürzester Zeit und ohne jede Not, das Bild einer zutiefst zerstrittenen und ungeführten Partei zu geben. Nun könnte man das alles ignorieren und darauf verweisen, dass ohnehin Sebastian Kurz bald das Ruder übernehmen wird und die Reinhold-Dinosaurier ehrenvoll vom Platz geführt werden. Nur leider stellt sich langsam, aber sicher die Frage: Soll sich Kurz diese Partei überhaupt noch antun? Kann der wirklich fähige, junge Politiker eine derart intrigante und kaputte Partei überhaupt noch retten? Oder wäre es besser, das zu tun, was ein erfahrener Manager angesichts eines unsanierbaren Unternehmens macht? Also abwarten, bis es in Konkurs geht, und dann die Filetstücke vom Massenverwalter herauskaufen? Oder gleich ein Unternehmen neu gründen?

Anders formuliert: Die Herren Landeshauptleute, Bündechefs und die öffentlich schwer erträglichen Altparteichefs müssen vor Kurz auf den Knien rutschen und ihm eine Generalvollmacht geben, damit er 2017 das Himmelfahrtskommando übernimmt. Sonst kann man ihm nur raten, seine Popularität nützend einen anderen Lebenslauf einzuschlagen. Mit Lebensqualität und ohne Parteifreunde – Entschuldigung: -feinde.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2016)

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