Van der Bellen: Der grüne Professor holt sich erneut den Sieg
Im Mai war es hauchdünn, im Dezember fiel schon die erste Hochrechnung klar aus: Der frühere Grünen-Chef wird der neue Bundespräsident.
14.01.2017 um 09:46
Einen hauchdünnen Sieg feierte der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen bei der Stichwahl am 22. Mai. Aus der Angelobung zum neuen Bundespräsidenten wurde trotzdem nichts: Der Verfassungsgerichtshof ordnete bekanntlich die Wiederholung der Wahl an. Nach Problemen mit dem Kleber von Wahlkuverts wurde der Urnengang auf den 4. Dezember verschoben. Und genau dieser zweite Adventsonntag bescherte dem bedächtigen Professor ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk - und zwar ein eindeutiges: Schon die erste Hochrechnung bestätigte seinen neuerlichen Sieg. (hell)
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„Wir haben es schon einmal geschafft, und wir werden es ein zweites Mal schaffen – ein drittes Mal wird ja wohl nicht notwendig sein“, hatte Van der Bellen noch zwei Tage vor dem entscheidenden Urnengang, bei seinem Wahlkampfabschluss im zehnten Wiener Gemeindebezirk, gesagt. Und er fügte hinzu: „Lassen Sie mich bitte Ihr Präsident der Mitte sein“, denn: „Wir wollen und werden uns nicht wundern“, ließ er eine Spitze gegen seinen Kontrahenten um das höchste Amt im Staat, Norbert Hofer, folgen.
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Vorangegangen war dem Wahlgang der längste Wahlkampf in der Geschichte der Zweiten Republik. Van der Bellen bewältigte ihn – zuletzt auch des öfteren in Tracht gekleidet, obwohl er einst in seinem Buch geschrieben hatte, sich nicht „so verkleiden“ zu wollen – obgleich er nie zu den großen Wahlkämpfern gezählt hatte: Er besuchte Volksfeste, schüttelte Hände, lächelte für Selfies. Seine Anhänger, deren Zahl im Verlauf der vergangenen zehn Monate stetig gewachsen ist (in seinem Unterstützerkomitee fanden sich nicht nur „normale Bürger“, sondern auch Politiker und Prominente von Conchita Wurst über Hugo Portisch bis Christoph Waltz), dankten es ihm mit „VdB - mehr denn je“-Sprechchören und Geldspenden.
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Doch wer ist Van der Bellen überhaupt? Geboren wurde der Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters am 18. Jänner 1944 in Wien. Aufgewachsen ist er in Tirol – genauer: im Kaunertal. 1962 absolvierte er die Matura und begann ein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck, seine Promotion folgte 1970, seine Habilitation 1975. Dann kam der Wechsel (zurück) in die Bundeshauptstadt: Ab 1977 lehrte Van der Bellen an der Verwaltungsakademie des Bundes. Bald darauf wurde er an die Universität Wien berufen, wo er als Vortragender für Volkswirtschaftslehre nicht selten die Comic-Ente Donald Duck heranzog, um diverse Themen zu illustrieren.
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Aus politischer Sicht kann Van der Bellen als „Spätzünder“ bezeichnet werden. Zunächst wurde er Mitglied der SPÖ, bis er den heutigen grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz kennenlernte, der ihn zu der „Öko-Partei“ führte. Als Kandidat für den Rechnungshof-Präsidenten noch gescheitert, zog er wenig später – 1994 – als Abgeordneter in den Nationalrat ein. Dort zog der fachkundige Professor mit seiner guten Rhetorik die Aufmerksamkeit auf sich (und wohl auch dadurch, weil seine Positionen der Basis meist zu wirtschaftsliberal waren) – stets versehen mit einem Schuss Humor.
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1997 wurde Van der Bellen schließlich zum Bundessprecher der Grünen auserkoren (eine Position, die er bis Oktober 2008 innehatte), 1999 zu ihrem Klubobmann. Es folgten Wahlerfolge, manche größer, andere kleiner – und eine Niederlage am Verhandlungstisch: Im Jahr 2000 entschied sich der von Van der Bellen durchaus geschätzte „Wendekanzler“ Wolfgang Schüssel (ÖVP) für eine Neuauflage von Schwarz-Blau, anstatt für eine Koalition mit den Grünen. Darauf wurde Van der Bellen auch im Wahlkampf 2016 angesprochen, zur „Presse“ sagte er diesbezüglich: „Politiker müssen autonom bleiben, dem Volk aufs Maul schauen, nicht nach dem Maul reden. Das hat mir an Schüssel gefallen.“
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Dann kam das Jahr 2008. Es brachte den Grünen Verluste bei den Nationalratswahlen – und eine Staffelübergabe an Van der Bellens langjährige „Kronprinzessin“ Eva Glawischnig-Piesczek. Der Professor entschied sich indes, zunächst dem Nationalrat erhalten zu bleiben, dann wurde er 2012 mit Vorzugsstimmen in den Wiener Landtag gewählt (wo er bis 2015 blieb) – das direkt vergebene Mandat nahm er erst nach mehr als einem Jahr „Schreckstarre“ an, wodurch seine Beliebtheitswerte sanken. Ebenfalls wenig image-förderlich war sein Schachzug, den „Weißen-Elefanten-Posten“ des Wiener Universitätsbeauftragten anzunehmen.
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Im Laufe des Bundespräsidentenwahlkampfs (Van der Bellen gab seine Kandidatur im Jänner 2016 bekannt, einen Tag nachdem der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll erklärt hatte, nicht für die ÖVP ins Rennen zu gehen) versuchte sich der Grüne als unabhängiger Kandidat zu positionieren, versuchte, den Begriff Heimat für sich zu besetzten, lenkte in Sachen Freihandelsabkommen TTIP vom sanften Befürworter zum vehementen Gegner um. Auch sein Verständnis für den russischen Einmarsch auf der Krim, der „Scheibenwischer“, den er seinen Kontrahenten Norbert Hofer während einer Fernsehdebatte zeigte und seine Ankündigung, die FPÖ auch dann nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wenn sie über die absolute Mehrheit verfügt, gehörten nicht unbedingt zu den Highlights seiner Kampagne.
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Bestürzt reagierte der bekennende Raucher auf kursierende Krebs- und Demenzgerüchte. Es folgte die Offenlegung seiner Befunde, die ihm laut seinem Arzt gute Gesundheit und eine „herrliche Lunge“ bescheinigten. Ebenfalls als verletzend empfand der 72-Jährige die Unterstellung von Ursula Stenzel (einst ÖVP, jetzt FPÖ), sein Vater könnte mit den Nazis sympathisiert haben – um diese Anschuldigungen zu entkräften, brachte er in das letzte TV-Duell im „ORF“ sogar ein Bild seines Vaters mit. Und eine weitere Anschuldigung, aufgeworfen von den Freiheitlichen, galt es zu entkräften: Van der Bellen habe Spionage verübt, sagte Hofer und bezog sich auf das im Jahr 2000 erschienene Buch „Mein Protokoll“ des früheren Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika. „Das ist das Mieseste, was ich seit Langem gehört habe“, konterte der Professor. Schon zu Beginn der 2000er Jahre hatte das Innenministerium (damals geführt von Ernst Strasser, ÖVP) auf eine parlamentarische Anfrage verlautbart: Es bestünden „keine Erkenntnisse“ über Kontakte zwischen den grünen Politikern (auch Pilz wurde beschuldigt) und einem angeblichen Stasi-Spion.
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Punkten konnte Van der Bellen hingegen bei vielen mit seiner pro-europäischen Haltung, seiner Weltoffenheit und Menschenfreundlichkeit. Er wolle keine Gräben zwischen Bevölkerungsgruppen aufreißen, sondern verbinden, das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, betonte er. Auch sei er absolut gegen einen Öxit, also den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union. Unterstützt wurde Van der Bellen, der aus seiner ersten, im vergangenen Herbst geschiedenen Ehe zwei Söhne hat, dabei auch durch den Industriellen Hans Peter Haselsteiner, der die Kampagne „Nein zum Öxit. Nein zu Hofer“ ins Leben rief.
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Und auch musikalischen Support gab es für den, seit Kurzem mit Doris Schmidauer, Geschäftsführerin im Grünen Parlamentsklub, verheirateten Präsidentschaftsanwärter: So gestattete es der heimische Sänger Rainhard Fendrich, dass sein Lied „I am from Austria“, das gemeinhin als inoffizielle Hymne Österreichs gilt, für einen Werbefilm Van der Bellens verwendet und bei Wahlkampfauftritten gespielt wurde. Am 22. Mai brachte Van der Bellen sein Auftreten und seine Positionierung den Sieg in der (später vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen und verschobenen) Stichwahl. Nun, am 4. Dezember, gelang ihm die Wiederholung.
(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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