"Zuhören und nicht stressen": Der Brotflüsterer aus Horn

(c) Stanislav Jenis
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Fritz Potocnik hat sich von Joseph Brot getrennt und mit Brotocnik seine eigene Biobäckerei gegründet. Jetzt kann er wieder "arbeiten wie früher".

Von einer Leidenschaft zu seinem Beruf zu reden, wäre bei Fritz Potocnik eine glatte Untertreibung. Der 59-Jährige ist ganz und gar verrückt nach seinem Handwerk, das ihn während seiner Ausbildung durch halb Österreich und vor knapp 20 Jahren ins Waldviertel geführt hat, wo er heute in Burgerwiesen in der Nähe von Horn lebt. Dort entstand auch sein neuestes Projekt – die Biobäckerei Brotocnik, in der ausschließlich unbehandelte Mehle, Getreide und Gewürze von regionalen Partnerbetrieben zum Einsatz kommen. Davor war Potocnik gewerblicher Geschäftsführer von Bio-Troad, dem Herstellerbetrieb von Joseph Brot.

„Weil ich Bäcker bin und Brot mein Leben ist“, begründet er das Wagnis eines neuen Unternehmens in einer Branche, die durch die Konkurrenz von Großkonzernen nicht gerade zu den dankbarsten zählt. Umso stärker setzt er auf Tradition, Regionalität und persönliche Erfahrung. In seiner direkt neben seinem umgebauten Bauernhof befindlichen Bäckerei wird, wie er sagt, „wie früher gearbeitet und nach alten und neuen Rezepten gebacken“.

Bis zu fünfzehn Arbeitsplätze sollen hier in den nächsten Monaten geschaffen werden, darunter auch Ausbildungsplätze für Jugendliche. Derzeit beliefert die Bäckerei mehrere Partner von Horn bis Wien. Beinahe wöchentlich werden es mehr.

„Ein Bäcker für jeden Ort“

„Ich möchte, dass unser Handwerk weiterlebt und habe den Traum, dass in jedem Ort wieder ein Bäcker oder eine Bäckerin daheim ist. Jemand, der sein unverwechselbares Brot nach eigenem Rezept bäckt“, sagt Potocnik, der mit so viel Begeisterung jeden seiner Handgriffe erläutern kann – „die alle wichtig sind, um dem Teig Zeit zu geben und ihn nicht zu stressen“.

Brot kann in Stress geraten? „Natürlich“, betont er. „Ich habe es schließlich mit einem lebenden Produkt zu tun, das nur unter ganz bestimmten Umständen reifen kann.“ Man müsse nur zusehen und zuhören, der Teig würde es einem schon mitteilen, wenn er fertig ist. „Selbstverständlich“ arbeitet der Bäckermeister dabei ausschließlich mit natürlich fermentierten Sauerteigen und Vorteigen: „Lange Teigführung und Reifezeiten machen das Brot und Gebäck bekömmlich und lange haltbar“, erklärt Potocnik. „Unser Brot kann man nicht einfach ein paar Mal kauen und schlucken. Man muss es lange kauen, damit zum einen die Verdauung da beginnt, wo sie beginnen sollte, nämlich im Mund. Und sich zum anderen der Geschmack des Brotes voll entfaltet.“

Ihren Anfang nahm Potocniks Karriere vor rund 50 Jahren in der Südsteiermark. Er wuchs in der Weingegend rund um Gamlitz auf. Der „Duft der Küche und des Holzherdes der Großmutter“ habe in ihm bereits als Kind die Liebe zur Bäckerei entfacht. Eigentlich sollte er eine Lehre im nahe gelegenen Zementwerk beginnen. „Meine Familie war stolz. Dort wurde nicht jeder genommen, das war eine Auszeichnung“, erinnert er sich.

Aber nicht für ihn. Gegen die Pläne seines Vaters, einem Maurer, setzte er seine Ausbildung zum Bäcker durch. In einer Zeit, in der dieses Handwerk nicht gerade als erstrebenswert galt. „Die vorherrschende Meinung war: „Wer zu blöd für alles andere ist, wird Bäcker“, erzählt Potocnik. Er hingegen sei sehr glücklich gewesen, dieses Handwerk ausüben zu dürfen. „Das bin ich bis heute. Ich betrachte es als Privileg und sage das auch meinen Lehrlingen: dass sie noch per Hand Brot backen dürfen. Und nicht müssen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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