Es sei fraglich, wie lang der "Koalitionsfriede" hält. Im Falle einer Vorverlegung der Nationalratswahl könnte auf die FPÖ eine Personaldebatte zukommen.
Der Wunsch nach Stabilität, die bessere Mobilisierung via Social Media und die breite Bürgermeister-Unterstützung für Alexander Van der Bellen sowie der Strategiewechsel Norbert Hofers im letzten TV-Duell vor dem Urnengang haben nach Ansicht von Politikexperten bei der Bundespräsidentenwahl den Ausschlag für den ehemaligen Grünen-Chef gegeben. Meinungsforscher erwarten nun eine Führungsdiskussion innerhalb der FPÖ.
FP-Chef Heinz-Christian Strache baute da in der Nacht schon einmal vor: "Ich werde als Obmann und Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl gehen", sagte Strache.
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"Die Wahl von Van der Bellen hat gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung keinen radikalen Wandel wünscht", sagte die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle am Sonntagabend. Für die Regierung sei dies das Signal weiterzuarbeiten. Für OGM-Chef Wolfgang Bachmayer war vor allem die Reaktion der Van der Bellen-Wahlkampfverantwortlichen auf die anfangs wirksame Hofer-Strategie, "hinter mir das Volk, hinter Van der Bellen das Establishment", sehr geschickt. Hilfreich sei für den Ex-Grünen-Chef auch gewesen, dass das Flüchtlingsthema in den letzten Wochen ziemlich vom Radar verschwunden sei. Im letzten TV-Auftritt ortet Bachmayer einen "möglichen Fehler" von Hofer, er sei zu hart aufgetreten. "Dieser Strategiewechsel hat das grüne Narrativ verstärkt", befand auch Politologe Peter Hajek.
Innenpolitische Konsequenzen "aufgeschoben, nicht aufgehoben"
Gröbere innenpolitische Folgen erwarten die Meinungsforscher kurzfristig nicht. Für Bachmayer wären diese im Falle eines Wahlsieges Hofers jedenfalls massiver ausgefallen. Dann hätte es sehr rasch vorgezogene Neuwahlen gegeben. "Das alles ist jetzt aufgeschoben, aber nicht aufgehoben", meinte der OGM-Chef. Es gebe in der Bevölkerung zwar eine große Wahl- und Politikmüdigkeit, "die Frage ist, wie lange der Koalitionsfriede im neuen Jahr halten wird". Bachmayer geht allein schon deshalb von Neuwahlen 2017 aus, weil im Frühjahr 2018 vier Bundesländer wählen. "Diese Länder werden darauf drängen, dass der Bund vorher wählt. Die Länder werden nach dem Bund wählen wollen, damit die Menschen den Dampf auf Bundes- und nicht auf Landesebene ablassen."
Im Falle einer Vorverlegung der Nationalratswahl könnte auf die FPÖ eine Personaldebatte zukommen, glauben die Meinungsforscher. "Von der Meinungsforschung her hat Hofer die besseren Werte als Strache, weil er einfach in breitere Wählerschichten strahlt", so Hajek. Die Ansage, in sechs Jahren wieder als Bundespräsident kandidieren zu wollen, wertet Hajek als erste "Gegenbotschaft an die Keiltreiber". Das Thema werde aber nicht verschwinden. "Diese Debatte wird kommen, und sie wird ganz sicher kommen, wenn Neuwahlen ausgerufen werden und Außenminister Sebastian Kurz für die ÖVP antritt. Dann haben auch die Freiheitlichen eine Personaldebatte."
Hofer sei in der FPÖ in seiner Bedeutung aufgestiegen, findet auch OGM-Chef Bachmayer. "Er ist ein Kapital für den nächsten Wahlkampf, und die Frage, wer in der FPÖ der bessere Spitzenkandidat ist, wird auf jeden Fall von den anderen Parteien aufgebracht werden", so Bachmayer. Stainer-Hämmerle geht unterdessen nicht von einer Führungsdiskussion in der FPÖ aus. "Nachdem sich Hofer immer deutlich hinter Strache gestellt hat, glaube ich nicht, dass er das aktiv betreibt."
(APA)