ORF: Wrabetz will 1,25 Euro mehr pro Monat

ORF-General Alexander Wrabetz wünscht sich eine Gebührenerhöhung. „Das wird eine sehr genaue Diskussion im Stiftungsrat“, glaubt er.
ORF-General Alexander Wrabetz wünscht sich eine Gebührenerhöhung. „Das wird eine sehr genaue Diskussion im Stiftungsrat“, glaubt er.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Sinkende Werbeeinnahmen, keine Einmalerlöse: Daher sollen die Zuseher und Hörer ab Mai 2017 mehr für den Öffentlich-Rechtlichen zahlen. Ein Sparprogramm bis 2021 soll 300 Millionen Euro bringen: 300 Stellen werden gestrichen.

Am Montag bekamen die ORF-Stiftungsräte brisante Post: ORF-General Alexander Wrabetz wirbt in dem Schreiben für Zustimmung zu einer Gebührenerhöhung. Gleich darauf ging Wrabetz vor Journalisten in die Offensive: Er werde in der Dezember-Sitzung des Stiftungsrats eine Erhöhung des Programmentgelts um 1,25 Euro pro Monat – von 16,16 auf 17,41 Euro – beantragen, die im Mai 2017 in Kraft treten und für fünf Jahre gelten soll. Damit würden ORF-Kunden künftig 56 statt bisher 52 Cent pro Tag bezahlen. Überraschend ist daran nur, dass Wrabetz seine Forderung nach unten revidiert hat – statt der im Sommer ventilierten zehn Prozent mehr fordert er jetzt 7,7 Prozent. Das ist wohl der im Vorfeld entbrannten Diskussion geschuldet: In der ÖVP gibt es die Forderung, der Nationalrat solle künftig über die Höhe der ORF-Gebühren entscheiden, nicht mehr der Stiftungsrat. Die Neos wollen die ORF-Gebühr überhaupt abschaffen und das Unternehmen durch eine Medienförderung finanzieren. Und die heimischen Privatsender machen in einer Hörfunkkampagne gegen die „Taschengelderhöhung“ für den ORF mobil.

► Warum jetzt? Wrabetz ist gesetzlich verpflichtet, spätestens nach fünf Jahren die Festsetzung des Programmentgelts zu beantragen – er könnte freilich auch weniger oder gleich viel verlangen. Wrabetz argumentiert nun, dass die Gebührenerhöhungen der vergangenen Jahre stets unter der Inflationsrate ausgefallen seien – auch die neue Forderung von 7,7 Prozent liege unter den geschätzten zehn Prozent Inflationsrate für die kommenden fünf Jahre. In den vergangenen Jahren hätten Einmalerlöse (z. B. durch den Verkauf von Gebäuden oder Wertpapieren) für eine schwarze Null gesorgt – in den kommenden Jahren seien solche nicht zu erwarten. Auf eine Refundierung der durch Gebührenbefreiungen entgangenen Einnahmen dürfe der ORF nicht mehr hoffen, sagt Wrabetz, auch eine Haushaltsabgabe sei nicht in Sicht.

► Wie entwickelt sich die Werbung? Die Werbeerlöse werden nach einigen Jahren der Stagnation 2017 um sechs Millionen Euro sinken, weil der Preisdruck steigt, die Marktanteile sinken – und Gerichtsurteile den ORF in die Schranken weisen. Das Verhältnis Gebühren- zu Werbeeinnahmen verschiebt sich: 2005 nahm der ORF 450,8 Mio. Euro aus Programmentgelt ein, 304,5 Mio. kamen aus der Werbung. 2016 stand es 595,3 Mio. aus Programmentgelt zu 221,2 Mio. aus Werbung.

Warum muss der ORF sparen? Am Montag präsentierte Wrabetz seine Pläne auch den Mitarbeitern. Ihnen musste er erklären, warum der ORF, selbst wenn die Gebührenerhöhung kommt, sparen muss: Dem ORF drohte zunächst eine „Finanzierungslücke“ für 2017 von bis zu 82 Mio. Euro. Durch diverse Maßnahmen konnte diese zwar reduziert werden – zuletzt fehlten aber immer noch 42 Mio. Euro. Die Gebührenerhöhung würde im kommenden Jahr 28 Mio. einbringen, weshalb allein 2017 noch weitere 14 Mio. Euro gespart werden müssen.

In der Finanzvorschau bis 2021 ist von einem Sparpaket im Ausmaß von insgesamt 300 Mio. Euro die Rede. Das soll vor allem die ÖVP-Vertreter im Stiftungsrat milde stimmen, die auf Sparen und Strukturreform pochen. Laut Wrabetz wird es einen zentralen Koordinator für das Strukturprogramm geben, der auch das Personalsparprogramm kontrollieren und für Nachvollziehbarkeit und Transparenz gegenüber dem Stiftungsrat und der Öffentlichkeit sorgen soll. Die Stelle wird demnächst ausgeschrieben. Als möglicher Kandidat gilt Roland Brunhofer, der auf politischen Wunsch als ORF-Landesdirektor in Salzburg ausscheidet.

► Wo soll gespart werden? Vor allem will Wrabetz 300 Vollzeitarbeitsplätze einsparen – damit würde der Mitarbeiterstand von derzeit 3200 auf 2900 sinken. Durch den natürlichen Abgang in die Pension werden bis 2020/21 etwa 600 Stellen frei, die Hälfte davon soll nicht nachbesetzt werden. „Aber nicht nach dem Gießkannenprinzip“, sagt Wrabetz. „Man wird schauen, wo technologische Änderungen passieren, wo man Abläufe straffen kann.“ Außerdem sollen Mitarbeiter Urlaube abbauen und Überstunden einsparen. Bei den derzeit laufenden Kollektivvertragsverhandlungen rechnet der ORF-Chef mit einem „der Situation angemessenen“ Ergebnis.

Sparen müssen auch die Landesstudios. Die Ländervertreter im Stiftungsrat haben sich zuletzt zwar gegen ihre Sparvorgaben – vier Mio. Euro für 2017 – gewehrt. Doch Wrabetz bleibt dabei: „Jeder muss zum Sparkurs beitragen.“ Der ORF werde sich künftig mehr „auf das Kerngeschäft reduzieren“. Zur Kritik der Privatsender sagt er: „Für amerikanische Filme und Serien geben wir drei Prozent unseres Umsatzes aus – diese Mittel kommen ausschließlich aus Werbeerlösen in ORF eins.“ Eingestellt wird das Start-up-Cluster, das Streamingangebot von Flimmit wird „stark redimensioniert“. Bei den Online-Aktivitäten wolle man sich auf die Information und die Weiterentwicklung klassischer Angebote konzentrieren und „keine sonstigen Onlineprodukte auf den Markt bringen“. Auch das Frühstücks-TV „muss günstiger werden“ – daran, es von einem fixen Studio aus zu senden, denkt Wrabetz aber nicht.

► Wird auch am neuen Standort gespart? „Wir nehmen die Vorgabe des Stiftungsrats ernst, dass wir mit den vorgesehenen Mitteln das Auslangen finden müssen. Das heißt, wir müssen Teile des Projekts noch einmal grundlegend überarbeiten“, sagt Wrabetz. Konkret nennt er den Neubauteil: Zehn Millionen Euro sollen bei der Gebäudeerrichtung gespart werden, etwa 100 Millionen an technischen Investitionen sollen „entweder nicht oder später“ ausgegeben werden – etwa, indem bestehende Technik für „die maximale Lebensdauer“ in Verwendung bleibt.

Das letzte Wort hat der ORF-Stiftungsrat: Er wird am 15. Dezember über den Antrag zur Gebührenerhöhung entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2016)

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