Österreich übernimmt den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Der Außenminister will sich als "Brückenbauer" positionieren.
Rund 50 Außenminister aus Europa, Nordamerika und dem Ex-Sowjetraum sind am heutigen Donnerstag zum Jahrestreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammengekommen, um nach Lösungen für die immer bedrohlicheren Konflikte in Europa zu suchen. "Wir brauchen eine starke OSZE mehr denn je für ein sicheres Europa", sagte Gastgeber Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt.
Steinmeier übergibt den Vorsitz zum Abschluss des zweitägigen Treffens am Freitag an Außenminister Sebastian Kurz. Der ÖVP-Politiker will als neuer OSZE-Vorsitzender den Dialog mit Russland suchen, das in der Ukraine-Krise eklatante Völkerrechtsbrüche begangen hat. "Bei all den roten Linien, die überschritten wurden, ist es notwendig, auf Russland zuzugehen, weil alles andere nicht zu einer positiven Entwicklung führen wird", sagte Kurz im APA-Interview.
Die OSZE habe in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen, und zwar durch "den sehr traurigen Umstand", dass die Stabilität und Sicherheit, "die wir jahre- oder jahrzehntelang fast schon als gottgegeben angenommen haben, so nicht mehr existiert". Der Ukraine-Konflikt habe viele "wachgerüttelt" und gezeigt, dass es in Europa wieder militärische Konflikte geben könne.
Kurz kann sich mehr Engagement in Ukraine vorstellen
Als OSZE-Vorsitzender wolle er einen Beitrag dazu leisten, dass Konflikte wie jener in der Ukraine "zumindest nicht immer dramatischer werden". In diesem Zusammenhang schloss er eine Ausweitung des OSZE-Engagements in dem osteuropäischen Land nicht aus. Werde die derzeitige Militärbeobachtungsmission (SMM) unter dem österreichischen Vorsitz um eine Polizeimission ergänzt, werde sich auch Österreich daran beteiligen. "Alles andere wäre, glaube ich, keine gute Vorbildwirkung."
Der OSZE-Vorsitz im kommenden Jahr biete Österreich die Möglichkeit, "einen relativ großen Beitrag" für die internationale Sicherheit zu leisten, sagte Kurz. "Wer Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Österreich erleben möchte, der muss sich über unsere Grenzen hinaus engagieren." Der Ukraine-Konflikt habe nicht nur die Sicherheitssituation verschlechtert, sondern über die Sanktionen gegen Russland auch "unsere wirtschaftlichen Voraussetzungen". Außerdem können solche Konflikte "zu Migration und anderen Herausforderungen führen".
Mit Blick auf das Konsensprinzip in der 57 Staaten umfassenden Organisation betonte Kurz, dass der Vorsitz "eigentlich nur Vermittler sein" könne. Er selbst wolle sich ab 1. Jänner als "Brückenbauer" engagieren und das Vertrauen zwischen den Staaten stärken. "Sehr viel im OSZE-Raum lässt sich darauf zurückführen, dass wir einen Mangel an Vertrauen haben", beklagte Kurz. "Da ist das alte Blockdenken, das ich eigentlich nur aus den Geschichtsbüchern kennen sollte, wieder zurückgekehrt", sagte er mit Blick auf Russland und die USA.
Kampf gegen Radikalisierung
Kurz räumte ein, dass Russland an vielen Konflikten im OSZE-Raum beteiligt sei. "Es gibt rote Linien, die schon überschritten worden sind, die Annexion der Krim oder der Konflikt in der Ostukraine. Und ich könnte noch andere Beispiele aufzählen." Andererseits werde man letztlich "Frieden nur mit und nicht gegen Russland zustande bringen". Man müsse daher auf Dialog setzen und auch "ein gewisses Verständnis dafür haben, dass verschiedene Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln eben sehr anders gesehen werden", argumentiere Kurz. Das heiße aber nicht, "dass wir unsere Meinung ändern", fügte er hinzu.
Österreich will als Vorsitzland auch einen Schwerpunkt im Kampf gegen Radikalisierung setzen. Das sei ein Thema, "wo es durchaus gelingen kann, dass alle 57 an einem Strang ziehen", schließlich hätten beim Kampf gegen den Terrorismus auch die USA und Russland Gemeinsamkeiten. Kurz wies darauf hin, dass sich im OSZE-Raum über 10.000 Menschen als Terrorkämpfer dem "Islamischen Staat" angeschlossen hätten. Diese Menschen seien "auch ein Sicherheitsrisiko für uns, wenn sie wieder zurückkehren in unsere Gesellschaften".
Die Entscheidungsstrukturen in der als schwerfällig kritisierten OSZE will Kurz nicht angehen. "Natürlich wissen wir alle, dass das Konsensprinzip uns die tägliche Arbeit nicht leichter, sondern schwieriger macht, aber es wäre unrealistisch zu glauben, dass es hier jetzt eine Veränderung geben wird", sagte der Außenminister. "Die Strukturen sind so, wie sie sind, damit müssen wir arbeiten. Wir werden versuchen, das Beste aus unserer Möglichkeit, den Vorsitz zu führen herauszuholen", so Kurz, der auch auf zahlreiche informelle Gremien verwies, in denen die OSZE wirken kann.
(APA)