Wenn der Präsident zum Krisenmanager wird

Sergio Mattarella muss als Präsident für Stabilität in Italien sorgen.
Sergio Mattarella muss als Präsident für Stabilität in Italien sorgen.(c) APA/AFP/UNITED NATIONS/PASQUAL GORRIZ (PASQUAL GORRIZ)
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Sergio Mattarella gilt als zurückhaltender italienischer Präsident. Nun steht der 75-Jährige vor der ersten großen Herausforderung seit seinem Amtsantritt.

Für den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella beginnen anstrengende Tage. Nach dem offiziellen Rücktritt von Premier Matteo Renzi kommt auf Mattarella jetzt die Aufgabe als Krisenmanager in einer heiklen politischen Phase zu. Der zurückgezogene und schüchtern wirkende Mattarella ist mit seiner ersten großen Herausforderung seit seinem Amtsantritt Anfang 2015 konfrontiert.

Er führt politische Konsultationen, um einen Ausweg aus der Regierungskrise in Rom zu finden. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Ein Präsident sei wie ein "Schiedsrichter", erklärte Mattarella diese Woche im Gespräch mit Schülern, die ihn im Quirinal, dem Präsidentschaftspalast in Rom, besuchten. "Wenn das Spiel regelkonform abläuft, bemerkt man den Schiedsrichter nicht einmal. Er greift nur ein, wenn die Dinge nicht funktionieren", beschrieb der 75-Jährige sein Amtsverständnis. Der seit fast zwei Jahren amtierende Präsident meidet das Rampenlicht und tritt betont bescheiden auf.

Doch Medienrummel bleibt dem sizilianischen Juristen jetzt nicht erspart. Mattarella muss jetzt die Schwergewichte der italienischen Parteien treffen und entscheiden, wie es in Rom weitergehen soll. Politischen Beobachtern zufolge könnte Mattarella eine Übergangsregierung einsetzen, die sich mit der Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes befassen und das Land bis zum Ende der Legislaturperiode 2018 und zu Neuwahlen führen würde. Wen der Präsident mit der Regierungsbildung beauftragen wird, steht noch in den Sternen.

Präsident entscheidet über Neuwahlen

Der italienische Präsident, der laut Verfassung über beschränkte Kompetenzen verfügt und wie in Österreich hauptsächlich eine Notars-Funktion innehat, indem er vom Parlament verabschiedete Gesetze unterzeichnet, spielt bei Regierungskrisen eine wichtige Rolle. Verfassungsgemäß führt das Staatsoberhaupt Konsultationen mit allen Parteien. Er kann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen oder Neuwahlen ausschreiben, sollte er feststellen, dass es unmöglich ist, ein neues Kabinett zu bilden.

Rigoros und öffentlichkeitsscheu: Mattarella hat in diesen Monaten für einen neuen Stil in der italienischen Politik gesorgt. Während der extrovertierte und redegewandte Renzi seine spitzbübischen Bonmots und seine Mediengewandtheit gern für politische Zwecke nutzte, gilt der Präsident als wortkarg und diskret. Der untypische Sizilianer Mattarella weiß Worte zu dosieren. Er ist ganz anders als sein Vorgänger Giorgio Napolitano, der eine aktive Rolle bei der Beeinflussung der politischen Entscheidungen in Rom gespielt und deswegen auch viel Kritik auf sich gezogen hatte.

Kampf für Transparenz in Süditalien

In diesen 22 Monaten Amtszeit hat sich der Katholik Mattarella oft mit den Problemen der Ausgegrenzten, der Migranten und der vielen Italiener befasst, die die langen Krisenjahre besonders schmerzhaft zu spüren bekamen. Der aus Palermo stammende Politiker hat öfters auf Maßnahmen für einen Neubeginn des verarmten Südens des Landes und auf weitere wirtschaftliche und politische Reformen gedrängt. Der Kampf für Rechtsstaatlichkeit und Transparenz in Süditalien ist Mattarella - eine Galionsfigur im Einsatz gegen die Mafia - ein Hauptanliegen.

Wie Mattarella jetzt mit der Regierungskrise umgeht, ist noch unklar. Fest steht, dass der wortkarge Präsident Schwierigkeiten haben könnte, mit der heterogenen und turbulenten Front aus Nostalgikern der traditionellen Linken, Populisten und Rechtsparteien, die auf Neuwahlen drängen, zu verhandeln. Der Sizilianer wird all sein diplomatisches Geschick aufwenden müssen, um Italien ein politisches Chaos zu ersparen und dem Land neue Horizonte zu öffnen.

(Micaela Taroni/APA)

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