Peter Pilz: "Kern-Dogma ist eine Dummheit"

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Der grüne Abgeordnete Peter Pilz über die Lehren aus der Bundespräsidentenwahl und warum Christian Kerns Kuschelkurs gegenüber den Freiheitlichen den Grünen hilft.

Die Presse: Ein unabhängiger Kandidat hat die Präsidentschaftswahl gewonnen. Welchen Anteil hatten die Grünen?

Peter Pilz: Einen großen, aber wahrscheinlich nicht den entscheidenden. Alexander Van der Bellen kommt von uns, und wir haben seinen Wahlkampf mit allen Mitteln unterstützt. Aber als grüner Parteikandidat hätte er nicht gewonnen.

Die FPÖ sagt, bei Hofer-Wählern ist die Hemmschwelle gesunken, freiheitlich zu wählen. Für die Grünen gilt das nicht?

Wir könnten uns diesem Unsinn anschließen, alle Wähler für uns zu reklamieren, aber ich halte es für gescheiter, darüber zu reden, welche Rolle eine parteiübergreifende pro-europäische Allianz gespielt hat. Und welche Rolle eine Mobilisierung unabhängiger Menschen gespielt hat, auf die wir keinen Einfluss haben. Diese Menschen, die gesagt haben, wir nehmen das selbst in die Hand, haben eigentlich die Wahl entschieden.

Lassen sich die wieder mobilisieren?

Das hoffe ich. Dann können wir Wahlen viel höher gewinnen. Und die FPÖ noch einmal schlagen.

Und das soll mit der Botschaft gelingen, wir verhindern die Freiheitlichen?

Nur zum Teil. Wobei das schon wichtig ist. Spätestens seit der Präsentation der Kern-Strategie ist klar, eine Garantie ohne Freiheitliche gibt es nur mit uns. Wo rot oder schwarz draufsteht, kann freiheitlich drin sein.

Kerns Kuschelkurs hilft eigentlich den Grünen, die sonst zwischen Kern und Strache zerrieben worden wären?

Ja, das war eine ganz reale Gefahr. Ich halte dieses neue Kern-Dogma für eine gewaltige politische Dummheit, weil es auf einem Irrtum beruht. Kern erklärt, er kann die Protestwähler nur über Strache und Hofer erreichen. Und er erkennt damit ein Quasimonopol der Freiheitlichen auf Protestwähler an.

Das gibt es nicht?

Ich habe mehr Erfahrung mit Protestwählern als der derzeitige Bundeskanzler. Das sind keine Freiheitlichen. Das sind Menschen, die mit der alten Politik gebrochen haben, weil sie sich nichts von ihr erwarten und die jetzt etwas ganz anderes wollen. Wenn sie sagen, das Einzige, was ich wählen kann, ist ein Riesenprügel, mit dem ich der Regierung eins drüber gib, dann greifen sie zum freiheitlichen Prügel. Aber wenn es eine bessere Alternative gibt, sind viele von ihnen zu gewinnen.

Aber wie sollen die Grünen für diese Wähler attraktiv werden?

Durch schärfere Oppositionspolitik. Aber es geht ja um keine Imitation der Freiheitlichen. Es gibt neben Ausländern ein Thema, das diesen Protestwählern noch viel wichtiger ist: die große Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Ich habe jetzt einen Beislwahlkampf geführt und bin nur in Lokale gegangen, wo ich mir sicher war, da sind keine Grünen drin. An jedem Stammtisch habe ich gehört: Die Großen kriegen immer mehr, und die Kleinen zahlen immer mehr. Niemand schert sich darum, und das ist das große Hoffnungsgebiet.

Auch für die Grünen?

Das ist eine Frage des Engagements und der Glaubwürdigkeit. Wenn man nicht zu diesen Menschen geht und glaubt, sie sind nicht zu gewinnen, dann wird man sie auch nicht gewinnen können. Man muss zu ihnen gehen, sie ernst nehmen, und sie überzeugen, dass man bereit ist, ihre Interessen zu vertreten. Aber nicht alles vertreten, was sie sagen, weil da hört man zum Teil auch Sachen, die wirklich nur zur FPÖ passen.

Müssen die Grünen dafür auch ihre Ausländerpolitik ändern?

Da haben wir ja schon längst vieles korrigiert. Es gibt niemanden mehr bei uns, der sagt, öffnet alle Grenzen, jeder, der will, kann kommen.

Aber das ist noch nicht wirklich durchgedrungen.

Dann werden wir es noch deutlicher machen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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