Prozessauftakt: IWF-Chefin Lagarde weist Vorwürfe zurück

IWF-Chefin Christine Lagarde
IWF-Chefin Christine LagardeAPA/AFP/JIM WATSON
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Es geht um einen Millionen-Skandal während ihrer Zeit als Finanzministerin in Paris, den sie hätte verhindern können. Es tagt ein selten einberufenes Spezialgericht.

Begleitet von großem Medieninteresse hat in Paris der Prozess gegen IWF-Chefin Christine Lagarde wegen einer umstrittenen Millionenzahlung begonnen. Zum Auftakt des Prozesses wies die Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Montag die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück: Sie habe in ihrer Zeit als französische Finanzministerin nie fahrlässig gehandelt.

Sie sei aber womöglich "ausgenutzt" worden, sagte die 60-Jährige. Lagarde steht wegen ihrer Verwicklung in die sogenannte Tapie-Affäre vor Gericht, bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 15.000 Euro. Ein privates Schiedsgericht hatte dem umstrittenen Geschäftsmann Bernard Tapie 2008 im Streit um einen Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas mehr als 400 Millionen Euro staatlichen Schadenersatz zugesprochen. Inzwischen wurde der Schiedsspruch wegen Betrugsverdachts kassiert.

Kein Widerspruch gegen Schadenersatz

Lagarde hatte 2007 den Gang vor das Schiedsgericht als zuständige Wirtschafts- und Finanzministerin unter Staatschef Nicolas Sarkozy gebilligt. Gegen den Schadenersatz von einschließlich Zinsen 404 Millionen Euro legte sie dann keinen Widerspruch ein. Die Ermittler werfen ihr vor, in beiden Fällen vorschnell und leichtfertig gehandelt zu haben. Sie soll so mitverantwortlich dafür sein, dass öffentliche Gelder veruntreut werden konnten.

Lagarde wies die Vorwürfe am Montag zurück: Sie habe stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und als alleiniges Ziel das "Allgemeinwohl" gehabt, sagte Lagarde, die seit 2011 an der Spitze des IWF in Washington steht. "Wurde ich ausgenutzt? Sind wir mehrere, die ausgenutzt wurden? Und wenn ja, von wem? Vielleicht werden wir es eines Tages wissen. Ich würde es gerne wissen."

Der Fall Tapie beschäftigt die französische Justiz seit vielen Jahren. Der schillernde Geschäftsmann hatte Adidas 1993 für rund 315 Millionen Euro an die damals staatliche Bank Credit Lyonnais verkauft. Im folgenden Jahr verkaufte die Bank Adidas dann für fast das Doppelte weiter. Tapie fühlte sich geprellt und zog deswegen vor Gericht, es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit.

Unlauterer Schiedsspruch?

Der private Schiedsspruch des Jahres 2008 sollte einen Schlussstrich unter die Angelegenheit setzen - löste aber bald neue Ermittlungen aus. Es besteht der Verdacht, dass der Schiedsspruch das Ergebnis betrügerischer Machenschaften zugunsten Tapies war. Das Pariser Berufungsgericht erklärte den Schadenersatz 2015 in einem Zivilverfahren wegen Betrugs für ungültig. Tapie wurde dazu verurteilt, das Geld an den Staat zurückzuzahlen.

Außerdem laufen strafrechtliche Betrugsermittlungen, unter anderem gegen Tapie, einen der Richter des Schiedsgerichts und Lagardes damaligen Bürochef, Stephane Richard, der heute Chef des Telekommunikationskonzerns Orange ist.

Von den Betrugsermittlungen ist Lagarde nicht betroffen. Ihr Fall wird vor dem Gerichtshof der Republik in Paris verhandelt, der für Vergehen von Ministern bei Ausübung ihres Amtes zuständig ist.

Ihre Anwälte halten dieses Verfahren für nicht zulässig, solange nicht in einem Strafprozess festgestellt wurde, dass tatsächlich öffentliche Gelder veruntreut wurden. Einen Antrag auf eine Vertagung des Prozesses lehnte das Gericht am Montag aber ab. Die Verhandlungen sind bis zum 20. Dezember angesetzt.

Lagarde hatte Ende November angekündigt, sie werde sich für die Dauer des Prozesses beurlauben lassen. Wie sie im Falle einer möglichen Verurteilung reagieren würde, sagte sie nicht. "Sie wird freigesprochen und deswegen stellt sich die Frage nicht", so ihr Anwalt Patrick Maisonneuve am Montag im Sender Europe 1.

Spezialgericht

Lagarde war 2007 vom damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy zur Wirtschafts- und Finanzministerin ernannt worden. 2011 wechselte sie nach dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn als IWF-Chefin nach Washington und übernahm die Nachfolge ihres Landsmanns.

Der Fall von IWF-Chefin Christine Lagarde wird von einem ungewöhnlichen Spezialgericht verhandelt. Der Gerichtshof der Republik ist nur für Vergehen französischer Top-Politiker zuständig, die sie in ihrer Funktion als Minister oder Staatssekretär begangen haben. Die Vorwürfe gegen Lagarde stammen aus ihrer Zeit als Kabinettsmitglied unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Die Sonder-Gerichtsbarkeit wurde 1993 nach einem Skandal um HIV-kontaminierte Blutprodukte eingeführt - und ist hochumstritten. Denn über die Minister urteilen neben drei Berufsrichtern auch zwölf Politiker: Parlamentarier aus Nationalversammlung und Senat. Seit der Gründung gab es vier Prozesse, zwei frühere Staatssekretäre und ein früherer Minister wurden verurteilt. Präsident Francois Hollande wollte den Gerichtshof eigentlich abschaffen, blieb dieses Versprechen aber bisher schuldig.

(APA/AFP)

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