Trumps „Zerstörungspotenzial“ für den Welthandel

Donald Trump.
Donald Trump.(c) REUTERS (LUCAS JACKSON)
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Was wäre, wenn der künftige US-Präsident mit dem Protektionismus Ernst macht? IHS und Ifo-Institut haben die Auswirkungen berechnet – auch für Österreich.

Wien. Donald Trump beim Wort nehmen: Das haben das Institut für Höhere Studien (IHS) und das Münchner IFO-Institut gemeinsam versucht. In seinem Wahlkampf kündigte der künftige US-Präsident ziemlich konkret eine protektionistische Handelspolitik an: 45 Prozent Zoll auf Importe aus China, 35 Prozent auf Einfuhren aus Mexiko. Die Frage, die sich die Ökonomen nun gestellt haben: Was wären die Auswirkungen? Auf die USA selbst, aber auch auf Österreich und auf Deutschland?

Dabei müssen sie mit mehreren Szenarien arbeiten. Denn wenn Trump seine Politik der Abschottung durch den Kongress bringt, dürfte es nicht bei China und Mexiko bleiben. Wenn etwa Apple seine iPhones nicht mehr in China produzieren kann, wird der Technologiekonzern seine Produktion kaum reumütig in die (dafür zu teure) USA zurückholen, sondern in andere Billiglohnländer ausweichen. Um das zu verhindern, müsste Trump die Zölle ausweiten. Genau genommen auf alle Staaten, wenn Amerika nicht aus der Welthandelsorganisation geworfen werden will. Denn die WTO verbietet eine Diskriminierung eines Landes durch Zölle, wenn sie nicht wegen Dumpings speziell zu begründen ist. Die USA müssten also letzten Endes der ganzen Welt einen Handelskrieg erklären. Und die Welt würde zurückschießen, wie Frankreichs Industrieminister, Christophe Sirugue, am Montag drohend angekündigt hat: Europa könne nicht einfach Zuschauer sein, wenn Trump seine Pläne umsetzt, sondern müsste reagieren.

Minigewinn für heimische Exporteure

In jedem Fall wäre auch Österreich betroffen. Die USA sind, mit gut neun Mrd. Euro an Ausfuhren im Vorjahr, der zweitwichtigste Exportmarkt. Tendenz stark steigend, mit einem klaren Überschuss in der Handelsbilanz. Vor allem Maschinen und Fahrzeuge finden den Weg über den Atlantik. Aber die Vernetzung geht über direkte Lieferungen hinaus. Wenn etwa ein deutscher Autobauer ein Werk in Mexiko hat, sind auch Vorleistungen betroffen – sicher in größerem Ausmaß aus Deutschland, in der Folge aber oft auch aus Österreich. Diese Wertschöpfungsketten bildet das verwendete Modell ab.

Im harmlosesten von sechs Szenarien – mit 35 Prozent Zoll nur gegen Mexiko und China – würde Österreich sogar geringfügig profitieren. Denn zu einem sehr kleinen Teil würden Leistungen auch hierher umgelenkt. Anders sähe es im Extremszenario „Amerika gegen alle, alle gegen Amerika“ aus (genauer: bei 45 Prozent Importzöllen auf beiden Seiten, ergänzt um nicht tarifäre Hindernisse, die weitere 15 Prozent Preiserhöhung ausmachen). In diesem Fall könnte der heimische Wohlstandsverlust bis zu 0,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen. Am größten wäre der Schaden für die Sektoren Handel und Logistik sowie Energie und Bergbau. Um ganz andere Dimensionen ginge es für Amerikaner selbst. Sie wären nämlich – neben den Mexikanern – die Hauptleidtragenden.

Schon im Einstiegszenario beträgt ihr Verlust 0,4 Prozent des BIPs. Bei einer völligen Abschottung samt Reaktion aller Handelspartner würde er auf über neun Prozentpunkte anschwellen.

Massive Einbußen für Amerika

Warum aber müsste der brachiale Versuch einer Reindustrialisierung Amerikas derart nach hinten losgehen? Allgemein erhöht der Außenhandel die Effizienz, weil jedes Land sich auf das spezialisiert, was es relativ am besten und günstigsten anbieten kann. Im konkreten Fall müssten die USA die Importe durch im Inland produzierte Güter ersetzen. Damit verteuert sich der Warenkorb für die Verbraucher. Selbst wenn es nicht zu Vergeltungsmaßnahmen käme, dürften die Exporte leiden. Denn in den USA herrscht fast Vollbeschäftigung. Die zusätzliche heimische Produktion würde also Exportsektoren verdrängen. Fallen die Spezialisierungsgewinne weg, ist die Arbeit im Schnitt weniger produktiv. Das drückt auf die Löhne. Die Arbeitnehmer verlieren also doppelt: Sie verdienen weniger und verlieren durch höhere Preise noch zusätzlich an Kaufkraft.

Wenn Trump Ernst macht, schneiden sich die USA also massiv ins eigene Fleisch. Sie wären zwar annähernd autark, aber um fast ein Zehntel ärmer. Weshalb die Autoren in ihrer Simulation keine realistische Politoption sehen. Sie wollen vielmehr das „Zerstörungspotenzial“ aufzeigen, das in den Ankündigungen liegt. Es wäre bei einem Handelskrieg noch weit größer, als von ihnen gezeigt. Denn ihr Modell kann nur ein neues Gleichgewicht ausrechnen, das sich erst langfristig einpendelt. Davor drohe ein tiefes Tal der Tränen: Eine erste Kettenreaktion mit einem „abrupten Zusammenbruch der internationalen Handelsströme“ könnte „durchaus eine Weltwirtschaftskrise provozieren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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