Koalition: Schwarz will nicht mehr mit Blau

ÖVP-Chef Mitterlehner (r.) will FPÖ-Obmann Strache nicht als Kanzler sehen.
ÖVP-Chef Mitterlehner (r.) will FPÖ-Obmann Strache nicht als Kanzler sehen.(c) G. Deutsch/picturedesk.com
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Nach der Hofburg-Wahl starten Spitzenpolitiker eine Medienoffensive. Die auffälligste ist jene von Mitterlehner. Er geht auf Distanz zur FPÖ – doch nicht jeder ist damit einverstanden.

Wien. Es wirkte fast so, als hätten sie bis zum Wahlsonntag die Luft angehalten. Um dann, sobald der neue Bundespräsident gekürt war, tief auszuatmen. Und in die Offensive zu gehen. Die Chefin der Grünen, Eva Glawischnig, tat dies im ORF: Sie kündigte an, die Regierung schärfer angreifen zu wollen. Die Schonfrist für Christian Kern sei vorbei.

Apropos Kern: Auch der Kanzler meldete sich zu Wort, und zwar in der deutschen „Bild Zeitung“. Inhalt des Interviews: die Gemeinsamkeiten von AfD und FPÖ („Meine Befürchtung ist, dass der Aufstieg der AfD erst beginnt“) und warum er eine Koalition mit den Freiheitlichen nicht mehr ausschließen möchte. Vom Versuch, sie auszugrenzen, habe die FPÖ profitiert. „Sie konnte beleidigt in eine Ecke flüchten und sich als Opfer darstellen. Das hat sie unnötig mystifiziert.“

Am auffälligsten ist allerdings die neue Medienoffensive und Linie der ÖVP. Oder, richtiger, die Linie eines Teils der ÖVP: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nutzt derzeit jede Gelegenheit, um sich von den Freiheitlichen zu distanzieren. In der „Krone“ klingt das so: „Wir müssen darstellen, dass wir die besseren Konzepte haben und uns im Gegensatz zur FPÖ auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit bewegen.“ Diese Auseinandersetzung hätte man bisher viel zu wenig geführt. Bei der nächsten Nationalratswahl werde es Aufgabe sein, „alles dafür zu tun, dass Strache nicht Bundeskanzler wird“.

EU-Kritik als Koalitionskiller

Noch deutlicher wird Generalsekretär Werner Amon via „Standard“: „Wenn die FPÖ von ihrer grundsätzlich EU-kritischen Haltung nicht abgeht, wird man sie nur sehr schwer an einer Regierung beteiligen können.“ Was ist da los? Warum stellt sich plötzlich in der ÖVP die Frage, ob man mit der FPÖ koalieren kann? Mitterlehner beantwortet diese Frage selbst: „Meiner Meinung nach ist die FPÖ derzeit unser größter Konkurrent. Nicht die Sozialdemokraten, da gibt es kaum einen Wähleraustausch.“

Vor allem im Hinblick auf die Präsidentenwahl will man jene Österreicher zurückholen, die sich für den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer entschieden hatten. Die Anhängerschaft der Volkspartei war in dieser Hinsicht durchaus gespalten. Darüber, wie viele tatsächlich Hofer unterstützten, scheiden sich die Geister der Motivforscher: Laut Sora wählten nur 45 Prozent der ÖVP-Sympathisanten Norbert Hofer – und 55 Prozent Van der Bellen. Das deutsche Institut für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung hingegen unterscheidet zwischen einstigen ÖVP-Wählern, die Hofer ihre Stimme gaben (43 Prozent), Van der Bellen wählten (39 Prozent) bzw. fernblieben.

Aussagen sind „oberflächlich“

So oder so: In Bezug darauf, dass sich die ÖVP um Wähler bemühen muss, scheint man sich in der Partei einig zu sein. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie dies erreicht werden soll.

Während Mitterlehner versucht, sich von den Freiheitlichen – vor allem von freiheitlichen Personen – klar abzugrenzen und auf Distanz geht, findet nicht jeder diese Strategie sinnvoll. Die Ankündigungen Mitterlehners seien „zu oberflächlich“, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Die Wähler müssten „mit Themen zurückgeholt werden“. Einzelne Politiker oder die FPÖ als Ganzes anzugreifen, sei nicht die Lösung. Die Wähler würden sich nicht mit einer Partei identifizieren. Wichtiger seien vielmehr Positionen, bei denen man wieder die Linie vorgeben müsse. Hier sollte man sich auf härtere Themen konzentrieren, wie zum Beispiel die Mindestsicherung. Nur so könne man den Freiheitlichen etwas entgegenhalten.

ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner will auch mit einer weiteren Strategie Punkte sammeln – und zwar mit einem Neustart in der Regierung. Schon wieder. Derzeit wird an einer Überarbeitung des Regierungsprogramms gearbeitet. Und: Auch im ORF-„Bürgerforum“ heute, Dienstagabend, werden Vizekanzler und Kanzler gemeinsam auftreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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