Nationalrat beschließt umstrittenes Gesundheitspaket

Die Koalition betont, dass nicht - wie von der Ärztekammer befürchtet - weniger, sondern mehr Geld ins System fließt.

Der Nationalrat hat Mittwochnachmittag mit den Stimmen von Koalition und Grünen das umstrittene Gesundheitspaket verabschiedet, gegen das von der Ärztekammer bereits mit Kampfmaßnahmen mobilisiert wird. Die Opposition solidarisierte sich teilweise mit den Medizinern. Die Koalition hingegen pochte darauf, dass nicht - wie von der Kammer befürchtet - weniger, sondern mehr Geld ins System fließt.

Zum Beschluss standen zwei Bund/Länder-Vereinbarungen an, die im Zuge des Finanzausgleichs zwischen den Gebietskörperschaften vereinbart worden waren. Eine von ihnen sieht vor, dass 200 Millionen Euro bis Ende 2020 zweckgebunden in Primärversorgungszentren investiert werden sollen. Die Bedeckung dieser Mehrkosten soll aus Mitteln der Sozialversicherung und der Länder erfolgen.

Die zweite - von der Kammer noch stärker bekämpfte - Vereinbarung regelt die Kostendämpfung für das Gesundheitswesen. Demnach sollen die Ausgabensteigerungen schrittweise von 3,6 Prozent des BIP im Jahr 2017 auf 3,2 Prozent im Jahr 2021 sinken.

SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger betonte, dass auch damit die Ausgaben ganz gewaltig stiegen. Im Jahr 2021 werde man um 4,6 Milliarden mehr für das Gesundheitswesen ausgeben. Dies bezweifelte die Grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein. Denn es gebe bei den Kostensteigerungen keine fixe Angabe des Referenzsystems. Wie viel dann wirklich fließe, hänge letztlich von der Entwicklung des BIP ab.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) beschwichtigte. Auch bei den schlechtesten Berechnungen werde das Geld mehr und man komme nicht ins Sparen.

Besonders umstritten in der Debatte waren die Primärversorgungszentren. Ähnlich der Ärztekammer, die Vertreter in weißen Kitteln auf die Besuchergalerie entsandte, vermutet die freiheitliche Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein, dass mit den Zentren der Hausarzt geschwächt werden solle: "Sie versuchen das System herunterzufahren, billiger zu machen und den Beruf des freien Arztes abzuschaffen."

Belakowitsch-Jenewein vermutet, dass der Hausarzt letztlich abgeschafft werden soll und die Mediziner als Angestellte der Sozialversicherung in ein Primärversorgungszentrum entsandt werden. Die Rolle der Kassen sah auch NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisch. Er vermutet, dass das Ziel eine Staatsmedizin sei. Wäre es nach ihm gegangen, wäre ins Gesetz ein Verbot für die Kassen, solche Zentren zu leiten, integriert worden.

VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger wies die Kritik der Opposition zurück. Er betonte, dass die ÖVP dazu stehe, die freie Arztwahl zu erhalten. Dennoch sieht er Handlungsbedarf, etwa indem man die Gehälter zwischen Haus- und Fachärzten angleichen müsse. Denn was nutze das beste System, wenn niemand in diesem arbeite.

Oberhauser betonte, dass das Gesetz für die Zentren wohl erst im ersten Halbjahr 2017 erstellt werde, also noch genug Platz für Diskussionen sei. Ohnehin werde es sicher nicht nur Zentren geben sondern viel mehr Verbünde zwischen nahe gelegenen Arztpraxen. Mückstein plädierte dafür, Obergrenzen für die Zentren festzulegen, da es weiter eine Wahl-Möglichkeit geben solle.

Skeptisch äußerte sich für das Team Stronach die Abgeordnete Ulla Weigerstorfer. Sie meint, dass mit den heutigen Beschlüssen der Grundstein für Privatisierungen im Gesundheitswesen gelegt werden.

Uneingeschränkte Zustimmung fand die Abschaffung der bei Spitalsaufenthalten anfallenden Selbstbehalte für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr.

(APA)

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