Seiltanzen mit Schubert und dem Wiener Ton

(c) Clemens Fabry
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Emmanuel Tjeknavorian und Harriet Krijgh musizierten mit ihren Lehrern im Brahmssaal Schubert.

Ein Schubert-Abend, der offenbar besondere Erwartungen weckte: Gesteckt voll war der Brahmssaal des Musikvereins, als die Rising Stars der Spielzeiten 2015/16 respektive 2017/18 mit ihren Lehrern ganz Frühes und Musik aus den letzten Lebenmonaten von Franz Schubert musizierten.

Die Cellistin Harriet Krijgh wie der Geiger Emmanuel Tjeknavorian gelten als die größten Nachwuchshoffnungen aus Wiener Musizierklassen, das Lehrer-Ehepaar Gerhard und Lilia Schulz gesellte sich zu seinen längst international prominenten Zöglingen und lud im Verein mit dem Bratschisten Alexander Zemtsov zum Schubert-Quintett.

Zum Einstieg legte Lilia Schulz-Bayrova den wohltönenden Bass für Tjeknavorian und seinen exzellenten Klavier-Partner Maximilian Kromer – vielfacher Wettbewerbssieger auch er – beim einsätzigen Trio in B-Dur (D 28) aus der Feder des 15-jährigen Schubert. Danach gab es dessen späte „Fantasie für Klavier und Violine in C-Dur“ (D 934) als schönen Beweis für die These, dass die wienerische Musizierkultur noch lang nicht ausgestorben ist.

Schwierig zu definieren, darf über selbige zumindest das mit Sicherheit gesagt werden: Virtuose Schaustellerei ist ihr jedenfalls fremd. Schubert stellt zwar den Musikern hier vertrackte technische Aufgaben, verlässt dabei aber niemals die im Grunde schlichte – wenn auch im zentralen Variationenteil mit fantastisch wuchernden Koloraturen ausgeschmückte – musikantische Linie. Das zu erkennen und sich einen interpretatorischen Reim zu machen, ist die Aufgabe. Die beiden jungen Interpreten bezahlen tatsächlich mit gleicher Münze: Technische Probleme kennen sie nicht, doch steht teils aberwitzige Fingerfertigkeit durchwegs im Dienst der melodischen Entfaltung.

Musikalische Luftgymnastiker

Dabei herrscht rhythmische Elastizität, Eleganz in der Phrasierung – und ein vollkommen sicherer Instinkt für dramaturgische Entwicklungen: Eine scheinbar harmlose Liedmelodie kann sich in wenigen Takten spannungsvoll zuspitzen. Wer Tjeknavorian und Kromer lauscht, bleibt aufmerksam und neugierig vom ersten bis zum letzten Ton und erlebt die Musik als ästhetischen Balanceakt zwischen persönlicher Aussage und purer Klangschönheit.

Dergleichen ist in solcher entspannten Selbstverständlichkeit heutzutage rar geworden – und demonstriert, so deutet man es jedenfalls hierzulande gern, die Lebenskraft wienerischen Musiziererbes. Es kommt nicht darauf an, dass ein Artist seiltanzen kann, sondern darauf, wie er sich da oben anstellt. In diesem Sinn sind Tjeknavorian und Kromer, um einen Satz von Wedekind umzuwidmen, „die graziösesten Luftgymnastiker“. Nächste Saison reisen sie – wie Harriet Krijgh im Vorjahr – im Zyklus „Rising Stars“ als Sendboten von Wien um die Welt!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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