Elf Millionen Euro für sieben Häftlinge

(c) Stanislav Jenis
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Der Rechnungshof empfiehlt, das umstrittene Anhaltezentrum Vordernberg zu schließen und eine alternative Nachnutzung zu suchen.

Wien. Es sollte ein Vorzeigeprojekt sein: Nach heftiger Kritik an der Abschiebung von Flüchtlingsfamilien plante die damalige Innenministerin Maria Fekter ein neues Schubhaftzentrum. Um Proteste von Anrainern oder den jeweiligen Bürgermeistern von vorneherein auszuschließen, mussten sich Gemeinden aktiv um das Projekt bemühen. Und noch etwas war neu: Die Betreuung der Häftlinge wurde an eine Sicherheitsfirma ausgelagert.

Zwei Jahre nach der Eröffnung des Anhaltelagers Vordernberg herrscht allerdings Katzenjammer: Das Projekt, für das das Innenressort langjährige Verträge abgeschlossen hat, ist zu einem Flop geworden, weil die Zahl der Schubhäftlinge in den vergangenen Jahren aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidungen drastisch zurückgegangen ist. Elf Millionen Euro zahlte das Innenministerium im Vorjahr für die 193 Haftplätze in Vordernberg. Dort wurden aber im Schnitt nur 7,6 Häftlinge täglich betreut.

Wenig überraschend hat nun auch der Rechnungshof heftige Kritik am Projekt Vordernberg geübt. Schon die Entscheidung für den Standort beruhte nicht auf „nachvollziehbaren strategischen und wirtschaftlichen Planungen“, so die Prüfer. Rund 80 Prozent der Abschiebungen wurden über Grenzübergangsstellen in unmittelbarer Nähe zu den Polizeianhaltezentren Wien durchgeführt. Allein daraus ergaben sich klare Standortnachteile für die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des in der Steiermark liegenden Schubhaftzentrums.

Scharfe Kritik gibt es auch am Vergabeverfahren des Innenministeriums und der Gemeinde Vordernberg für die Betreuung der Häftlinge. In dem von der Gemeinde durchgeführten Verfahren waren die Eignungs-, Ausschluss- und Bewertungskriterien so eng gefasst, dass lediglich ein Bieter – eine private Sicherheitsfirma – ein Angebot legte. Eine Wettbewerbssituation war dadurch nicht gegeben. Die Details dieses geheimen Ausschreibungsverfahrens konnte der Rechnungshof gar nicht erst prüfen, weil das Innenministerium die entsprechenden Auskünfte gegenüber den Prüfern verweigerte.

Moniert wird darüber hinaus, dass das Innenministerium bei der Anmietung des Gebäudes und bei den beauftragten Dienstleistungen für den Betrieb langjährige finanzielle Bindungen über 33 bzw. 15 Jahre in der Höhe von acht Millionen Euro pro Jahr eingegangen ist, die unabhängig von der tatsächlichen Auslastung anfallen. Die Kosten für einen Haftplatz – bei angenommener Vollauslastung – lagen in Vordernberg mit 165 Euro pro Tag mehr als drei Mal so hoch wie in Salzburg mit 50 Euro pro Tag. Die tatsächlichen Kosten je Hafttag divergierten ebenfalls stark. Ein Hafttag in Wien Rossauer Lände kostete bezogen auf das erste Halbjahr 2015 207 Euro, in Vordernberg 834 Euro. Der Rechnungshof empfiehlt jedenfalls, in Abstimmung mit der Gemeinde Vordernberg die Notbremse zu ziehen und das Projekt zu beenden. Es sollten Möglichkeiten einer alternativen Verwendung der Einrichtung ausgearbeitet werden, so die Prüfer.

Empfehlungen gab der Rechnungshof auch für das Schubhaftsystem generell: Dieses sollte im Hinblick auf die Entwicklung der Häftlingszahlen, die verfügbaren Kapazitäten sowie die personelle Ausstattung evaluiert und neu konzipiert werden. Bei mehr als der Hälfte der Personen, gegen die eine aufenthaltsbeendende Entscheidung erlassen wurde, war nicht dokumentiert, ob sie Österreich auch tatsächlich verlassen haben. Allein im Zeitraum von 2010 bis 2014 bestanden über den Verbleib von insgesamt 39.370 Personen keine zuverlässigen Informationen. Der Rechnungshof fordert deshalb, dass der Anteil der tatsächlichen Außerlandesbringungen von Schubhäftlingen gesteigert wird.

Kritik an Förderungen

Kritik übte der Rechnungshof auch am Förderwesen im Innenministerium. Zwischen 2011 und 2014 wurden Förderungen in Höhe von 77,8 Millionen Euro vergeben – ein großer Teil für die Betreuung von Asylwerbern. Im Ministerium habe es keinen einheitlichen Prozess für die Vergabe, Abrechnung und Kontrolle der Förderungen gegeben, so der Rechnungshof. Außerdem habe es das Ministerium unterlassen, bei Verstößen von Fördernehmern Sanktionen zu setzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2016)

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