Medientage: Aussichten trüb, aber nicht hoffnungslos

(c) APA (Barbar Gindl)
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RTL-Chef Gerhard Zeiler analysiert die TV-Krise: "Wir erleben Verändungen in einem Ausmaß, wie ich es in meiner 23-jährigen Fernsehtätigkeit noch nie erlebt habe."

"Das ist heute eine ganz andere Welt als noch vor einem Jahr“, stellt Gerhard Zeiler, Chef der RTL Group, im Gespräch mit der „Presse“ fest. Mittlerweile ist die Krise allgegenwärtig. Auch bei den Medientagen, die bis Freitag in Wien stattfinden. Man könnte einwenden, er jammere auf hohem Niveau: Der Umsatz der RTL Group sank im 1. Halbjahr 2009 zwar um 9,6Prozent auf 2,59 Milliarden Euro. Im Vorjahr ging sich dennoch ein Nettogewinn von 291 Millionen Euro aus – aber nur aufgrund eines Sparprogramms, das Zeiler heuer fortsetzen muss, da „der Umsatz trotz steigender Marktanteile sinkt“. Und weil sich zwar die Wirtschaft erholen werde, nicht aber die Werbung.

Werbung: Keine Erholung

„Wir erleben Veränderungen in einem Ausmaß, wie ich es in meiner 23-jährigen Fernsehtätigkeit noch nie erlebt habe“, so Zeiler, der von 1986 bis 1990 ORF-Generalintendant war. Mit wenigen Ausnahmen sei in allen Ländern das Geschäft mit TV-Werbung um einen zweistelligen Prozentsatz zurückgegangen, in Zentral- und Osteuropas sogar um zwanzig bis 35Prozent. „Ich glaube nicht, dass die Werbeeinnahmen in absehbarer Zeit auf das Niveau des Jahres 2006 oder 2007 zurückkehren werden“. Nicht nur, weil die Wirtschaft spart, sondern auch weil das Angebot durch die Digitalisierung immer größer wird – und sich der Werbekuchen auf mehr Sender aufteilt. „Mein Lieblingsbeispiel ist Ungarn: In diesem Land, das nicht viel mehr Einwohner hat als Österreich, gibt es achtzig Kanäle in ungarischer Sprache“, so Zeiler.

Aufgrund der technischen Entwicklung sei der Fernseher außerdem längst nicht mehr das einzige Gerät, auf dem man schauen könne. Zwei Drittel der US-Haushalte würden schon am Computer fernsehen, so Zeiler, 15 Millionen Amerikaner auf ihrem Mobiltelefon ? durchschnittlich 15 Minuten pro Tag. Dazu komme die nonlineare Nutzung der Programme über Breitbandanschlüsse. „Nehmen wir das Beispiel USA, wo manche Hauptabendprogramme bereits zu 40 Prozent nonlinear gesehen werden.“

Hat das Fernsehen also ausgedient? Zeiler glaubt, „dass die Fernsehindustrie diese Krise nicht nur bewältigen wird, sondern dass sie auch in Zukunft eine relevante und dominante Position innerhalb der Medienindustrie einnehmen wird“. Und jetzt kommt das Aber: „Nur wenn wir unsere Hausaufgaben machen.“ Die da wären: Das Angebot gegenüber der Werbewirtschaft muss durch zusätzliche Produkte verbessert werden (z. B. das Einblenden von Sponsorenlogos im Programm). Zweite Strategie: „Jedes Fernsehunternehmen – zumindest jedes kommerzielle – wird eine Pay-Strategie benötigen.“ Drittens: Video-on-Demand-Angebote, die dem nonlinearen TV-Verhalten entgegenkommen. „Ungekrönter König ist hier die BBC, die mit ihren i-Playern pro Monat auf 50 Millionen Videoabrufe kommt.“ Und es gelte, die Kosten „signifikant“ zu reduzieren: „Wenn ich signifikant sage, dann meine ich nicht drei oder fünf, sondern dann meine ich zehn, fünfzehn oder sogar zwanzig Prozent.“

Faymann verleiht Worm-Preise

Gleich zum Auftakt der Medientage mahnte Bundeskanzler Werner Faymann (SP) zu Optimismus: Die Krise dürfe nicht zu jener „Marktbereinigung“ führen, die zuvor Verleger Hans-Jörgen Manstein gefordert hatte. Das würde die Medienvielfalt gefährden und die Arbeitssituation der Journalisten erschweren, warnte er und legte ein klares Bekenntnis zur Presseförderung ab. Unternehmen müssten nachhaltig denken und weiter in Werbung und Ausbildung investieren. Es müsse in den Medien Platz für Zivilcourage und investigativen Journalismus geben, sagte Faymann und schritt zur Verleihung des Alfred-Worm-Preises. Den erhielten die „Kurier“-Sportjournalisten Rainer Fleckl und Erich Vogl für die Aufdeckung des Dopingskandals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2009)

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