Machtmensch und Menschenfischer

INTERVIEW: ERWIN PRÖLL
INTERVIEW: ERWIN PRÖLLAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Er blieb lieber Erster in St. Pölten als möglicherweise nur Zweiter bei der Präsidentschaftswahl zu werden: Erwin Pröll. Porträt eines schillernden Konservativen.

Ein Porträt anlässlich des 70. Geburtstags von Erwin Pröll vom Dezember 2016.

André Heller. Ausgerechnet. Der Künstler, der üblicherweise nicht die allergrößten Sympathien für Politiker rechts der Mitte hegt – Wolfgang Schüssel nannte er einst einen „Hauptexponenten der Unkultur“ –, hat Erwin Pröll nun ein TV-Porträt gewidmet. Im Rahmen seiner ORF-Reihe „Menschenkinder“ wird es am 6. Jänner 2017 ausgestrahlt. Noch einmal zum Mitschreiben: Der André Heller, der Flüchtlingskonferenzen organisiert. Und der Erwin Pröll, der Flüchtlingen die Mindestsicherung kürzt. Wie geht das zusammen? Heller, der Intellektuelle, und Pröll, der Machtmensch? Ganz gut, wie es aussieht. Anscheinend haben auch Geistesmenschen mitunter das Bedürfnis, sich bei einem starken Mann – man denke auch an Bruno Kreisky – anzulehnen. Vor allem, wenn er als Mäzen daherkommt. Wie Erwin Pröll das tut.

Eine Kulturinitiave da, ein Sommertheater dort, ein neues Museum hier – Erwin Pröll, der sich lang wegen seiner ungeschickten Formulierung, er habe in seinem Leben ein einziges Buch, Karl Mays „Der Schatz im Silbersee“, gelesen, verhöhnen lassen musste, ist ein großer Förderer der Künste und der Künstler. Was ihm Letztere auch immer wieder danken, indem sie ihren Namen vor Wahlen für Erwin Prölls Personenkomitees zur Verfügung stellen.

Erwin Pröll, der Machtmensch, hat eben relativ schnell kapiert, dass er für die Hegemonie im Lande auch die Kulturschaffenden braucht. Dennoch stellt sich die Frage, warum – abseits des Förderwesens – ein Politiker, der ideologisch ein recht strammer Konservativer ist und populistische Töne, wenn es ihm opportun erscheint, nicht scheut, auch bei vielen Künstlern, die gemeinhin in der linken Reichshälfte zu verorten sind, so wohlgelitten ist. Jener Erwin Pröll, der noch dazu ein ziemlich autokratisches Amtsverständnis hat: Wer sich wohl verhält, kann alles haben. Wer aufmuckt, bekommt ein Problem – oder mehrere. Das Modell Zuckerbrot und Peitsche also.

Was macht ER richtig?

Irgendetwas muss ER – wie er in Niederösterreich mitunter ironisch genannt wird – also richtig machen. Zum einen hat der Mann einmal ein gewisses schauspielerisches Talent. Binnen einer Minute kann er von sorgenzerfurchtem Gesicht auf laute Herzlichkeit umschalten. Zum anderen zeichnet ihn – wie seinerzeit auch Jörg Haider – eine große Empathiefähigkeit aus: Er kann sich auf sein Gegenüber einstellen, diesem das Gefühl vermitteln, er sei für ihn nun der Mittelpunkt der Welt. Ob Arbeiter, Bauer oder Intellektueller. Und Erwin Pröll ist selbst ein überaus disziplinierter Arbeiter. Von früh bis spät unterwegs, bei nahezu jeder Veranstaltung dabei. Und das auch noch nach 24 Jahren als Landeshauptmann. Zum Lesen wird er also wohl tatsächlich nicht viel kommen.

Festmesse und Kesselgulasch

Am 24. Dezember feiert der christlich-soziale Bauernbündler aus Radlbrunn seinen 70. Geburtstag. Gefeiert wird dieser bereits am heutigen Samstag: im Stift Göttweig. Mit Festmesse, Feierstunde und Kesselgulasch. Und allem, was in der ÖVP – und auch darüber hinaus – Rang und Namen hat. Bundespräsident ist Erwin Pröll nicht geworden. Da erschien ihm das Risiko einer Kandidatur letztlich zu groß, wiewohl er jahrelang damit kokettiert hatte. Denn eine Wahlniederlage hätte seinen Nimbus zerstört.

Dabei hat seine Karriere als Landeshauptmann mit einer solchen Niederlage begonnen. Erwin Pröll verlor 1993 die absolute Mehrheit, die ihm sein Vorgänger, Siegfried Ludwig, hinterlassen hatte. Auch 1998 waren es nur 44,8 Prozent. Erwin Pröll musste sich – so seltsam das heute erscheinen mag – sein Standing in Niederösterreich also erst erarbeiten. Er tat das mit einer Mischung aus Fleiß, Druck und Charme. Seit 2003 regiert er absolut. Absolutistische Anwandlungen hat er auch, was seine eigene Partei angeht. Der Egomane Erwin Pröll nimmt das Geld aus dem Finanzausgleich und kritisiert gleichzeitig die Bundesregierung. Rochaden nimmt er ohne Absprache vor. Parteichefs setzte er im Alleingang ein.

Der Politikertypus, den Erwin Pröll verkörpert, scheint im Jahre 2016 eigentlich aus der Zeit gefallen: rau, konservativ, autoritär, schulterklopfend. Paternalismus im wahrsten Sinn des Wortes. Doch in Niederösterreich funktioniert das prächtig. Immerhin: Er hat auch etwas gemacht aus dem vormals grauen, armen Land vor dem Eisernen Vorhang. Den Menschen Selbstbewusstsein gegeben.

Und dem Land, das lang nicht einmal eine eigene Hauptstadt hatte, in dem Hymne und Tracht im Vergleich zu anderen Bundesländern keine große Rolle spielten, auch eine Form von Identität. Wobei das selbstredend auch mit neuen Schulden erkauft war. Niederösterreich wurde zum Wissenschafts- und Uni-Standort, die Dörfer wurden verschönert, die Infrastruktur modernisiert, viele Betriebe angesiedelt. Pröll empfing ausländische Staatschefs und arbeitete grenzübergreifend mit den Nachbarländern zusammen.

„Wir sind seine Jünger“

Ein ÖVP-Bürgermeister wurde in der „FAZ“ einmal wie folgt zitiert: „Wir sind seine Jünger. Wir tragen seinen Geist bis in die hintersten Winkel des Landes.“ Und wie gesagt: Selbst kritische Künstler finden daran Gefallen. André Heller meint zu seinen Beweggründen, Erwin Pröll nun ein Fernsehdenkmal zu errichten: „Ich suche für die Serie nach Menschen, die aus der Durchschnittlichkeit hervorstechen.“ So gesehen wäre also auch eine Folge mit Wolfgang Schüssel noch möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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