IWF-Chefin Lagarde in Tapie-Affäre schuldig gesprochen

IWF-Chefin Christine Lagarde vor Gericht
IWF-Chefin Christine Lagarde vor Gericht APA/AFP/MARTIN BUREAU
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IWF-Chefin Christine Lagarde ist im Prozess um eine Millionen-Zahlung an den Unternehmer Bernard Tapie schuldig gesprochen worden.

IWF-Chefin Christine Lagarde ist im Prozess um eine Millionen-Zahlung an den Unternehmer Bernard Tapie schuldig gesprochen worden. Der Gerichtshof der Republik sah es in dem am Montag veröffentlichten Urteil als erwiesen an, dass sie im Zusammenhang mit einer 400-Millionen-Euro-Zahlung an Tapie als frühere französische Finanzministerin fahrlässig gehandelt hat. Eine Strafe gegen die frühere französiche Finanzministerin verhängte der Gerichtshof nicht.

Sowohl ihre Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft hatten einen Freispruch gefordert. Sie selbst hatte zum Ende der Verhandlung am Freitag erneut beteuert, nach bestem Gewissen gehandelt zu haben.

Die Anwälte Lagardes erwägen eine Berufung. Lagarde droht nun womöglich politisches Ungemach: Der Urteilsspruch könnte eine neue Führungsdebatte beim IWF auslösen. Ein Sprecher kündigte nach dem Urteil baldige Beratungen des IWF-Direktoriums über den Ausgang des Prozesses an.

In dem vor dem Gerichtshof der Republik verhandelten Fall aus dem Jahr 2008 ging es um die Rolle Lagardes bei der Zahlung von 400 Millionen Euro. Das Geld war Tapie als Schadenersatz zuerkannt worden. Damit sollten Verluste ausgeglichen werden, die ihm 1992 beim Verkauf von Adidas -Anteilen entstanden sein sollen. Nach Tapies Ansicht wurde er von dem heute nicht mehr bestehenden staatlichen Institut Credit Lyonnais dazu gebracht, die Anteile deutlich unter Wert zu verkaufen. Im Dezember 2015 wurde Tapie zur Rückzahlung der Summe verurteilt.

Lagarde hatte als Ministerin einem Schiedsverfahren zugestimmt, um einen langwierigen Rechtsstreit mit dem gut politisch gut vernetzten Tapie beizulegen. Als die Schiedsmänner diesem daraufhin mehr als 400 Millionen Euro zusprachen, verzichtete Lagarde auf einen Einspruch.

Inzwischen vermutet die Justiz, dass das Schiedsverfahren nicht mit rechten Dingen zuging: Es soll Verbindungen zwischen Tapie und einem der drei Schiedsleute gegeben haben. Der Schiedsspruch wurde von Zivilgerichten deshalb bereits aufgehoben und Tapie zur Rückzahlung des Betrags verurteilt. Zudem laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, darunter Lagardes früheren Büroleiter.

Der Generalstaatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einer "schlechten Entscheidung", die aber kein strafrechtliches Delikt sei - es ergebe sich allenfalls eine politische Verantwortlichkeit. Die Staatsanwaltschaft wollte es ohnehin nicht zu einem Prozess kommen lassen und hatte bereits im vergangenen Jahr eine Einstellung des Verfahrens beantragt.

Die Ermittlungsrichter entschieden damals aber anders: Die Untersuchungskommission des Gerichts warf Lagarde vor, sich vor ihren Entscheidungen nicht ausreichend mit der Materie befasst zu haben.

Der Gerichtshofs der Republik ist nur für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig. Es wurde 1993 geschaffen und tagt sehr selten, das Verfahren gegen Lagarde ist erst der fünfte Prozess. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern auch zwölf Parlamentarier.

Grand Dame der Finanzwelt

Christine Lagarde gilt als Grande Dame der Finanzwelt. Dabei ist die Französin an den Schalthebeln der internationalen Finanzmacht als Frau eher eine Ausnahmeerscheinung. Lagarde ist seit 2011 - nach dem unrühmlichen Abgang ihres Landsmannes Dominique Strauss-Kahn - die erste Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Februar 2016 wurde die 60-Jährige für eine zweite Amtszeit bestätigt.

In ihrer Funktion ist die Frau mit der grauen Kurzhaarfrisur zu einer der zentralen Figuren in der Euro-Schuldenkrise geworden. Vor allem in schuldengeplagten Ländern wird ihr Name aber nicht immer gern gehört. So werfen viele Menschen in Griechenland dem IWF unter Lagardes Führung vor, zu strikte Bedingungen für die Gewährung von Hilfskrediten zu stellen.

Als frühere Synchronschwimmerin ist Lagarde ein langer Atem eigen. Zudem gilt sie als gut vernetzte, geschickte Verhandlerin. Vor ihrer Laufbahn beim Weltwährungsfonds hatte sie sich als Anwältin einen Namen gemacht: Von 1999 bis 2004 leitete sie die US-Kanzlei Baker & McKenzie. In die Politik kam sie 2005 zunächst als beigeordnete Ministerin für Außenhandel. 2007 machte der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy die gelernte Juristin, Ökonomin und Amerikanistin zur Wirtschafts- und Finanzministerin.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde gemeinsam mit der Weltbank zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gegründet. Er soll als weltweites Gremium darüber wachen, dass keine großen Währungsturbulenzen entstehen und zu politischen Unwägbarkeiten führen.

Unter anderem vergibt er Kredite an überschuldete und in Zahlungsschwierigkeiten geratene Staaten - in Europa zuletzt etwa an Griechenland oder Irland. Derzeit gehören 189 Mitgliedstaaten der Organisation mit Sitz in Washington an.

Der IWF wird derzeit von der früheren französischen Finanzministerin Christine Lagarde geleitet, Chefvolkswirt ist seit dem vergangenen Jahr der frühere Obama-Berater Maurice Obstfeld. Das Tagesgeschäft steuert ein Exekutivrat aus 24 Direktoren und der IWF-Chefin. USA, Japan, China und Deutschland haben innerhalb des Währungsfonds die größten Stimmanteil. Der Einfluss richtet sich vor allem nach den Finanzierungsbeiträgen für die Organisation.

(APA/Reuters/dpa)

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