Als Reinhold Mitterlehner, der ÖVP-Chef, die Bundespräsidentenwahl gewann. Der Vizekanzler lud zu einem vorweihnachtlichen Gespräch – im Sebastian-Kurz-Ambiente.
Reinhold Mitterlehner sitzt im grünen Fauteuil neben dem DJ-Pult. Gegenüber stehen zwei Erdkugeln. Über dem Tisch nebenan schwebt ein Fahrrad. Ein Ambiente, das man eher mit Sebastian Kurz assoziiert. Hier, in der Dach-Lounge des 25hours Hotel, am Anfang von Bobostan, dem 7. Wiener Gemeindebezirk. Der ÖVP-Chef ist umringt von Journalisten, Ressortleitern, Chefredakteuren. Er und Generalsekretär Werner Amon haben zum „Vorweihnachtlichen Medienbrunch“ geladen.
Reinhold Mitterlehner erklärt die Welt. Er wirkt locker und selbstsicher wie länger nicht mehr. Es scheint ganz so, als habe die ÖVP, also die Mitterlehner-ÖVP, die Bundespräsidentschaftswahl gewonnen und nicht die Grünen, die ihren Sieg soeben im innerparteilichen Streit verspielen.
Und ja, Mitterlehner, der Alexander Van der Bellen unterstützt hat, fühlt sich durch die Präsidentschaftswahl in seinem Kurs bestätigt. Und diesen, das sei die Lehre daraus, werde er auch beibehalten. Soll heißen: klare Kante. Das Herumlavieren und es allen recht machen zu wollen, bringe nichts. Vertrete man hingegen klare Standpunkte, so rufe man zwar auch Widerspruch hervor, aber Reibung sei eben auch was Positives.
Und einen klaren Standpunkt hat Mitterlehner nun auch in Bezug auf die FPÖ: Dass eine „Alt-Herren-Truppe“ der FPÖ nun nach Moskau reise, sei vom Zeitpunkt her höchst unsensibel. „Gerade, dass sie nicht Aleppo als Ziel gewählt haben.“ Er wolle sich von der FPÖ jedenfalls stärker abgrenzen, was nicht heiße, dass man sie ausgrenze. Auch dass SPÖ-Chef Christian Kern nun das Gespräch mit der FPÖ suche, finde er richtig. Es sei gut, hier eine „neue Kalibrierung“ abseits der ausgetretenen Pfade hineinzubringen. Denn sonst wäre weiter immer nur von „Schwarz-Blau – oder Blau-Schwarz“ die Rede.
In der Europafrage habe die FPÖ Erklärungsbedarf, sagt Mitterlehner. Da könne die ÖVP nicht mit. Ob er glaube, dass auch der kleine ÖVP-Funktionär den Anti-FPÖ-Kurs mittrage, während die SPÖ, immerhin der traditionelle ideologische Gegner, ungeschoren davonkomme? Mit der SPÖ habe man in den vergangenen Monaten ohnehin genug gestritten, so Mitterlehner und Amon unisono. Man werde wichtige Unterschiede auch weiterhin deutlich aufzeigen. Im Windschatten der Regierungskonflikte hätte sich aber die FPÖ stark positionieren können. Und das dürfe man nicht zulassen.
ÖVP habe Flüchtlingspolitik gedreht
Als Beispiel für eine klare Haltung, die sich auszahle, sieht Mitterlehner auch die Flüchtlingspolitik. Die ÖVP habe es vor einem Jahr nicht nur geschafft, „die Situation in Österreich zu drehen“, sondern die Politik in ganz Europa beeinflusst. Damals seien noch viele gegen eine Schließung der Balkanroute gewesen, heute stehe diese, von der ÖVP mitdurchgesetzt, außer Streit.
Sonst bietet Mitterlehner ein buntes Potpourri seiner Ansichten. Die österreichische Quote für Forschung und Entwicklung sei mittlerweile die zweithöchste in Europa, dem Tourismus gehe es gut, die Steuerreform zeige Wirkung und die Bürgermeister „als Multiplikatoren“ würden in der ÖVP nun stärker eingebunden. „Der 4. Dezember“, sagt Mitterlehner, sei auch ein Votum für die Sacharbeit gewesen. Der Populismus habe seinen „Peak“ erreicht.
Mit der Türkei und ihrem Präsidenten Erdoğan solle man – bei aller berechtigten Kritik – die Gesprächsfähigkeit erhalten. „Denn die Gegebenheiten können sich ja wieder ändern.“ Ähnliches gelte für Putins Russland: Er selbst sei heuer dort gewesen. Und von den Sanktionen und deren Verlängerung halte er nichts. Das wiederum dürfte der neue Gegner von der FPÖ ähnlich sehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)