Schuldspruch für IWF-Chefin Lagarde

Christine Lagarde.
Christine Lagarde.(c) REUTERS
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IWF-Chefin Christine Lagarde ist im Prozess um eine Millionenzahlung schuldig gesprochen worden. Eine Strafe wurde nicht verhängt. Dem IWF droht nun eine Führungsdebatte.

Wien/Paris. Christine Lagarde ist eine der mächtigsten Frauen der Welt. Die aus Frankreich stammende Politikerin hat es an die Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) geschafft. Doch am Montag wurde sie von der Vergangenheit eingeholt. Ein Pariser Sondergericht sprach die frühere Finanzministerin im Prozess um eine Millionenzahlung an den Unternehmer Bernard Tapie wegen Fahrlässigkeit schuldig. Bei dem Verfahren ging es um die Veruntreuung öffentlicher Gelder. Trotz des Schuldspruchs verhängte das Gericht aber keine Strafe. Das Urteil ist eine Sensation. Denn nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaft hatten einen Freispruch gefordert.

Nun geht es darum, ob Lagarde weiterhin Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) bleiben kann. Denn beim IWF geht es viel um Glaubwürdigkeit. Sofort nach dem Urteilspruch meldete sich der IWF zu Wort. Am Montagnachmittag hieß es, dass sich das Führungsteam des IWF in Washington treffen werde. „Es ist zu erwarten, dass der Vorstand in Kürze zusammentritt, um die jüngsten Entwicklungen zu diskutieren“, sagte ein IWF-Sprecher. Der Vorstand kann nach eigenem Ermessen entscheiden, ob Lagarde abberufen wird. Denn es gibt beim IWF keine Regelung, wie mit verurteilten Spitzenmanagern vorgegangen wird.

Anwalt prüft Rechtsmittel

Lagarde hörte sich den Richterspruch in Paris nicht an. Angaben ihres Anwalts zufolge soll sie sich bereits in Washington aufhalten.

Der IWF vergibt unter anderem Kredite an Länder, die in Schwierigkeiten geraten sind. Dafür müssen die jeweiligen Länder zusagen, dass sie die Korruption bekämpfen. Werden nach der Verurteilung keine Konsequenzen gezogen, könnte darunter die Glaubwürdigkeit des Fonds leiden.

Der Anwalt von Lagarde ließ offen, ob gegen die Verurteilung Rechtsmittel ergriffen werden. „Wir werden die Bedingungen prüfen“, sagte er vor Journalisten. Er betonte aber, dass der Schuldspruch nicht in das französische Vorstrafenregister eingetragen werde.

In Frankreich gibt es bei angeklagten Politikern eine Reihe von Besonderheiten. Für mutmaßliche Vergehen, die Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amts verübt haben, ist ein eigenes Sondergericht zuständig. Auf der Richterbank sitzen nicht nur drei Berufsrichter, sondern auch zwölf Parlamentarier. Lagarde ist von 2007 bis 2011 unter Präsident Nicolas Sarkozy in Frankreich Wirtschafts- und Finanzministerin gewesen.

Bei dem Prozess drehte sich alles um den schillernden Ex-Minister und Geschäftsmann Tapie. Dieser war in einen langwierigen und sehr komplizierten Rechtsstreit verwickelt. Lagarde stimmte 2007 als verantwortliche Ministerin zu, dass sich ein Schiedsgericht mit dem Fall beschäftigt. Das Gericht sprach Tapie im Jahr 2008 mehr als 400 Millionen Euro Schadenersatz zu. Gegen die Millionenzahlung legte Lagarde keinen Widerspruch ein. Im Prozess wurde ihr vorgeworfen, vorschnell und leichtfertig gehandelt zu haben.

Zeuge belastete Lagarde

Denn mittlerweile sind rund um die Causa Tapie auch Betrugsvorwürfe laut geworden. Im Jahr 2015 annullierte daher die französische Justiz die Millionenzahlung an Tapie. Doch ein Teil des Geldes ist verschwunden.

Vor Gericht wurde Lagarde belastet. So sagte der frühere Leiter der Behörde für Staatsbeteiligungen aus, dass sich seine Behörde entschieden gegen das Tapie-Schiedsverfahren ausgesprochen habe. Er, so der Leiter, habe Lagarde mehrmals und ausdrücklich über die Haltung der Behörde informiert. Trotzdem traf Lagarde eine andere Entscheidung.

Vor Gericht gab sie zu, dass sie Tapie während des Schiedsverfahrens zu einem Mittagessen getroffen habe. Die IWF-Chefin erklärte, dass sie dem Mittagessen nur zugestimmt habe, weil sie ein „wenig neugierig“ auf Tapie gewesen sei. Sie wollte „diese Persönlichkeit“ aus der Nähe sehen, erklärte Lagarde.

Die IWF-Chefin versicherte in der Vergangenheit immer wieder, unschuldig zu sein: „Das Risiko eines Betrugs ist mir völlig entgangen.“ Sie habe versucht, „so gut wie möglich meine Arbeit zu machen, im Rahmen dessen, was ich wusste“, sagte sie in einer Reportage, die im französischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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