Berlusconis Kampf gegen „rote Roben“

(c) AP (Alberto Pellaschiar)
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Italiens Regierungschef zeigt immer deutlicher, dass ihm das demokratische Grundprinzip der Gewaltenteilung zuwider ist. Vor allem mit der Justiz kann er nicht.

ROM. „Hoch leben die Italiener! Hoch lebe Berlusconi!“ Mit diesem Schlachtruf hat er selbst, Silvio Berlusconi, am Abend seiner größten juristischen Niederlage seinen ungebrochenen Kampfeswillen bekundet. Der Ministerpräsident beugt sich nicht einmal dem Verfassungsgericht, und klammheimlich – das ist den Richtern besonders sauer aufgestoßen – will er in Italien eine Art Präsidentialsystem nach amerikanischem (oder russischem) Muster einführen, weil er mit „der wenigen Macht“, die ihm die Verfassung einräumt, angeblich nicht regieren könne.

Prinzipiell stört sich Berlusconi immer stärker an der Gewaltenteilung, einem der Grundpfeiler der modernen Demokratie, in der ein System von Gewichten und Gegengewichten, von Regierungsarbeit und deren Kontrolle durch Parlament und Justiz, einen Missbrauch der Macht verhindern soll. Berlusconi regiert am liebsten mit Dekreten. Damit erspart er den Beschlüssen seiner Regierung eine zeitraubende, „ineffiziente, nutzlose“ Debatte im Parlament.

Wenn die Volksvertreter nach 60 Tagen dann doch darüber befinden müssen, ob sie das jeweilige Dekret in ein Gesetz umwandeln oder verfallen lassen, stellt Berlusconi die Vertrauensfrage und schneidet so die Diskussion im Parlament derart ab, dass sich der Präsident des Abgeordnetenhauses, Gianfranco Fini, wiederholt beim Premier über die „Missachtung des Parlaments“ beschwert.

„15 Richter, davon elf Linke“

Geradezu spinnefeind stehen sich Berlusconi und die Justiz, die dritte Gewalt im Staat, gegenüber. Damit sich der Regierungschef der Autorität der Richter nicht beugen muss, stellt er die Justiz in seiner Propaganda als politische Partei dar. Staatsanwälte und Richter, das sind für Berlusconi die „roten Roben“, die notorisch Linken. Und selbst das Urteil des Verfassungsgerichts vom Mittwoch, das ihm die strafrechtliche Immunität abgesprochen hat, führt Berlusconi einzig darauf zurück, dass „elf der 15 Richter Linke“ seien: „Da musste mein Gesetz ja scheitern.“ Das Verfassungsgericht, sagt Berlusconi ausdrücklich, „ist kein Garant des Rechts mehr, sondern ein politisches Organ.“ Das Urteil sei „ein absolut politisches“. Die Möglichkeit, dass er tatsächlich gegen die Verfassung verstoßen haben könnte, kommt Berlusconi gar nicht erst in den Sinn.

Unter dem Vorwand, die Justiz zu reformieren, hat ihr Berlusconi im Lauf der Jahre die Zähne gezogen. Bilanzfälschung etwa kann nicht mehr als Delikt verfolgt werden; sie ist nur mehr eine Ordnungswidrigkeit. Verjährungsfristen wurden radikal gekürzt; das hat auch dem Premier die eine oder andere Verurteilung erspart. Zugleich wurde kaum etwas unternommen, um Prozessregeln zu entschlacken und damit die chronisch träge italienische Strafverfolgung zu beschleunigen.

Die Möglichkeiten, Richter für befangen zu erklären und die örtliche Verlagerung von Strafprozessen zu erreichen, wurden unter Berlusconi erweitert; das hat zur Folge, dass zahlreiche Prozesse – auch davon hat Berlusconi profitiert – abgebrochen werden und anderswo gänzlich neu beginnen müssen. Dazu kamen wiederholte Amnestien, die zwar die Justiz von zehntausenden Verfahren entlastet, es andererseits Steuersündern, Wirtschaftskriminellen oder den Erstellern der in Italien so beliebten Schwarzbauten ermöglicht haben, in Ruhe zu tun was sie wollten – weil sie damit rechnen konnten, dass sie in Kürze von der nächsten Amnestie profitieren würden.

Mehr als „Erster unter Gleichen“

Und dann treten Berlusconis Anwälte vor dem Verfassungsgericht auf und kippen die traditionelle italienische Regel, derzufolge ein Regierungschef nur „Erster unter Gleichen“ im Kreis der Minister ist. Sie wollen Berlusconis Regierungsstil mittels einer Verfassungsänderung rechtfertigen, die parlamentarisch bisher nicht erfolgt ist. So vor den höchsten Richtern aufzutreten, war dreist. Sich dann der verdienten Verurteilung nicht beugen zu wollen, lässt befürchten, dass Berlusconi noch Größeres im Sinne hat. Zu Lasten des Rechtsstaats.

AUF EINEN BLICK

Italiens Verfassungsgericht hat Regierungschef Silvio Berlusconi die strafrechtliche Immunität abgesprochen. Der reagierte empört: „Das ist ein absolut politisches Urteil.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2009)

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