Wiener werden stetig ärmer und schwächer

(c) Gregor Käfer
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Vor 15 Jahren lag die Bundeshauptstadt bei regionalem BIP und Einkommen pro Kopf noch unangefochten an der Spitze der Bundesländer. Heute sind die Einkommen bereits am niedrigsten und auch die Wirtschaftsleistung lässt nach.

Wien. Auf den ersten Blick ist es ein paradoxes Bild, das die Zahlen über das regionale Wirtschaftswachstum zeigen, die von der Statistik Austria am Donnerstag präsentiert wurden. So ist Wien beim sogenannten Bruttoregionalprodukt (BRP, also dem auf einzelne Regionen heruntergebrochenem BIP) mit 47.700 Euro je Einwohner das wirtschaftlich stärkste Bundesland Österreichs. Blickt man jedoch auf das verfügbare Einkommen je Einwohner, dann findet sich die Bundeshauptstadt mit 21.500 Euro pro Kopf ex aequo mit Kärnten auf dem letzten Platz wieder (siehe Grafik). In Wien wird also viel Wertschöpfung erwirtschaftet, aber nur verhältnismäßig wenig davon als Gehälter und Löhne verdient.

Zwei Gründe sind laut Statistik-Generaldirektor Konrad Pesendorfer dafür verantwortlich. Einerseits die unterschiedliche regionale Zuordnung der Zahlen. So wird das BRP nach dem Ort der Arbeitsstätte berechnet. Vor allem im Fall von Wien komme es hier durch die Einpendler zu deutlichen Verzerrungen. Denn laut Zahlen der Statistik fahren jeden Tag rund 260.000 Österreicher zum Arbeiten in die Bundeshauptstadt – etwa 190.000 davon kommen aus dem direkten Speckgürtel im niederösterreichischen Umland. Jeder vierte Arbeitnehmer in Wien wohnt also nicht in der Stadt. Die Gehälter dieser oft Gutverdiener werden dann jedoch in der Statistik etwa Niederösterreich zugeschlagen, da es bei den Einkommen um den Wohnsitzort geht.

Mehr Schlechtverdiener

Der zweite Grund sei der Zuzug von Migranten nach Wien. Dabei handle es sich im Fall der größten Zuwanderergruppe – der Deutschen – zwar ebenfalls um in der Regel gut ausgebildete Personen, die am Arbeitsmarkt höhere Gehälter erzielen können. „Der Großteil der Migranten ist jedoch nicht dem Hochlohnbereich zuzuordnen“, sagt Pesendorfer. Da somit das verfügbare Einkommen unter immer mehr auch schlechtverdienenden Köpfen geteilt wird, sinkt der Schnitt in Wien, so die Erklärung der Statistiker für das Paradoxon.

Ganz geklärt ist die Sache damit aber immer noch nicht. Denn wenn der Zuzug schlechtverdienender Migranten die Einkommen senkt, warum wirkt sich dieser Effekt bei der Wertschöpfung dann nicht aus? Wien ist hier ja nach wie vor die Nummer eins.

Aufklärung bringt ein Blick auf die historische Entwicklung. Und dieser verheißt für die wirtschaftliche Kraft der Bundeshauptstadt nichts Gutes. Denn es ist eine Momentaufnahme, die Wien bei der Wertschöpfung ganz oben und bei den Einkommen ganz unten zeigt. Der historische Verlauf kennt hingegen nur eine Richtung: stetig nach unten – sowohl bei Wertschöpfung als auch Einkommen je Kopf (siehe Grafik).

In 15 Jahren alles verändert

So war noch vor 15 Jahren Wien bei beiden Punkten unangefochten an der Spitze der österreichischen Bundesländer. Im Jahr 2000 erzielte der durchschnittliche Wiener eine Wertschöpfung im Ausmaß von 139 Prozent des Österreich-Durchschnitts – weit vor der damaligen Nummer zwei, Salzburg, das auf 110 Prozent kam. Heute ist Wien zwar mit 121 Prozent nach wie vor an der Spitze. Bis die Salzburger, die bereits auf 117 Prozent kommen, überholen, dürfte aber nur mehr eine Frage einiger Jahre sein.

Noch drastischer das Bild bei den Einkommen. Auch hier lag Wien 2000 mit 111 Prozent des damaligen Österreich-Schnitts ganz vorne, Vorarlberg (103 Prozent) und Niederösterreich (101 Prozent, siehe Speckgürtel) wurden auf die Plätze verwiesen. Alle anderen Bundesländer blieben damals unter dem Österreich-Schnitt.

Im Jahr 2015 sah die Lage diametral anders aus. Während sogar das einstige Sorgenkind Burgenland im Vorjahr mit 100 Prozent genau den Österreich-Schnitt erreichen konnte, gab es in absoluten Einkommen pro Kopf in Wien seit 2008 de facto eine Stagnation. Im Verhältnis zum Österreich-Schnitt sank das durchschnittliche Einkommen der Hauptstädter somit auf lediglich 97 Prozent.

In Summe gerechnet gibt es natürlich auch in Wien leichte Zuwächse. Und wer bereits in der Stadt lebt, wird durch den Zuzug Ärmerer auch nur im statistischen Durchschnitt ärmer und nicht real. Dennoch zeigt sich, dass die österreichweit höchste Arbeitslosigkeit und die höchste Zahl an Beziehern der Mindestsicherung bereits deutliche Spuren in der regionalen Wirtschaftskraft der Bundeshauptstadt hinterlassen.

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