Eine Ehe, eine Leidenschaft, ein Atelier

Andrea und Richard Addison in ihrem Atelier nahe dem Wienfluss. Der Tabernakelschreibtisch in ihrer Mitte wartet auf den letzten Schliff.
Andrea und Richard Addison in ihrem Atelier nahe dem Wienfluss. Der Tabernakelschreibtisch in ihrer Mitte wartet auf den letzten Schliff.(c) Clemens Fabry
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Das österreichisch-britische Ehepaar Andrea und Richard Addison verbindet die Liebe zu antiken Möbeln. Nach Lehr- und Berufsjahren in England verschlug es die Möbelrestauratoren nach Wien.

Ihre Geschichte beginnt in Südengland. Andrea und Richard Addison lernten einander am West-Dean-Kunstcollege in Sussex kennen. Unterrichtsgegenstand war die Restaurierung antiker Möbel. Er war der britische Vortragende, sie seine österreichische Studentin. Wenn man ihnen heute in ihrem Atelier für Restaurierung historischer Möbel nahe dem Wienfluss einen Besuch abstattet, kann man sich nur wundern, wie der Zufall so gleichgesinnte Geister zusammengeführt hat.

Inmitten ihrer Möbel, Pinsel und Werkzeuge erzählen sie abwechselnd und mit gegenseitigen Einschüben von ihren Karrierewegen – zuerst ohne, später miteinander. Die Addisons sind ein bemerkenswertes Ehepaar. Beide von Natur aus zurückhaltend, gehen sie sowohl miteinander als auch mit ihren Werkstücken so bedacht und schlafwandlerisch sicher um, dass der Besucher das Gefühl bekommt, hier in der Diefenbachgasse 22 verrinne auch die Zeit eine Spur bedächtiger. Man darf sich vorstellen, wie es ist, wenn sie gerade keinen Besuch empfangen: Jeder über das ihm zugeteilte Möbelstück gebeugt, in die Arbeit vertieft. Im Hintergrund summt leise das Radio. Auf dem Herd blubbert gemächlich der Leim. „Und es wird diskutiert, das hält den Standard hoch“, fügt Richard hinzu.


Eine Londoner Institution. Kurz nach ihrem Umzug nach Wien machte sich das Ehepaar Anfang 2004 selbstständig. Ihre heutige Werkstatt mit ihren schönen, großen und leicht mit Sägespänen verzierten Atelierräumen bezogen die beiden vor drei Jahren. „Der Besitzer mochte unsere Arbeit, Glück braucht man im Leben“, erzählt Richard. „Dennoch gilt: You make your own luck.“ Er selbst lernte das früh. Mit 17 zog er von Cambridge in die britische Hauptstadt, um am London College of Furniture seinen Bachelor zu machen. Damals, als die Mietpreise noch nicht so horrend waren und es verteilt über die Metropole viele kleine Werkstätten gab, arbeitete er eine Weile für verschiedene Tischler und Restauratoren. Dann verschlug es ihn zu Plowden & Smith. Der Name lässt Restauratoren in und außerhalb Englands kurz die Luft anhalten. Plowden & Smith ist eine Institution in der Branche. Eine, der in den Neunzigern aber noch eine Abteilung für Holzmöbelrestaurierung fehlte. Richard Addison sollte sie gründen. Mit knapp 30 war er Abteilungsleiter. Doch bald wollte er Neues sehen und nahm die Stelle als Professor am West Dean College an.

Während Richard bereits in London arbeitete, musste Andrea sich in Wien entscheiden, was sie studieren wollte. Dass ihre Familie gerade viele alte Möbel herrichten ließ, brachte die nötige Inspiration bei der Berufswahl. Sie besuchte die HTL in Mödling für Innenausbau, fand nach langer Suche einen Restaurator auf der Landstraße. Und ging auf seinen Rat hin nach der Lehre nach Südengland, um dort ihr Diplom anzuhängen.

So zufällig sich ihre Wege kreuzten, so schnell trennten sie sich geografisch wieder: Richard kehrte nach London zurück und übernahm bei Plowden & Smith die Überaufsicht über alle neun Ateliers. Daneben betreute er Projekte für Schwerkaliber wie die British Library und das Victoria and Albert Museum und installierte die Kronjuwelen im Londoner Tower. Andrea wiederum verschlug es zu einem Restaurator in den englischen Midlands, von wo sie aber bald „in seine Richtung“ nach London übersiedelte und für zwei Möbelhändler arbeitete. „Sie hat unter den absolut Besten in London gelernt“, betont ihr Mann stolz.


Wohin jetzt?
2002 wurde geheiratet. Und dann standen sie vor der Entscheidung: Wien, London oder eine andere Stadt? „Wir hatten ein kleines Haus renoviert. Die Mietpreise schossen in die Höhe. Die Gelegenheit fiel uns quasi vor die Füße. Und wenn man viele Jahre in London verbracht hat und viele Freunde hat, merkt man: Sie ziehen alle weg“, sagt Richard Addison. Andrea und er folgten. Nach Wien, wo man nicht eine Stunde pendeln oder Millionär sein müsse, um am Leben teilzunehmen, wie sie anmerken.

Hier haben sie in den vergangenen zwölf Jahren einen kleinen Kundenkreis um sich geschart. „Der Markt ist klein. Nicht so viele Menschen haben überhaupt Antiquitäten“, sagt Richard. Ihre Klientel setzt sich aus Museen, Kirchen, betuchten Privaten und dem Burgenverein zusammen. Die Aufträge kommen aus ganz Österreich. Kürzlich besichtigte Richard potenzielle Werkstücke in Graz. Und gerade steht ein alter, fein gearbeiteter Tabernakelschreibtisch aus dem Salzburger Land im Atelier und wartet auf seine Fertigstellung.

Ihre Kunden seien allesamt solche, die den Wert ihrer Handarbeit schätzten, betonen die Restauratoren. Andrea Addison erzählt, sie schreibe immer eine Liste, was an dem jeweiligen Möbelstück auszubessern ist, und berechne daran Arbeitsstunden und Lohn. „Und dann gehe ich nochmals runter mit dem Preis – weil das kann sich keiner leisten.“ „Möbel zu restaurieren ist kein profitables Geschäft“, ergänzt Richard, „man muss es lieben.“

Das tun die beiden ganz offensichtlich. Darum sei es um sie in den vergangenen Jahren auch so still gewesen, erklären sie. Kontakte und Mundpropaganda waren lang ihre einzige Werbung. „Eigentlich wollen wir nur hier stehen und Möbel restaurieren“, betont Andrea.

Nicht nur finanziell stoße man bei der Arbeit oft an Grenzen. Auch handwerklich stelle einen jedes Möbelstück vor neue Herausforderungen. „Jedes Problem ist einzigartig“, sagt Richard. Man müsse sich nur vorstellen, ergänzt Andrea: Für das Wohlbefinden eines Sessels, an dem zu seiner Entstehungszeit Dutzende Fachmänner arbeiteten, ist heute ein Einziger vollkommen allein verantwortlich. So müsse ein Möbelrestaurator eigentlich ein fächerübergreifendes Wissen mitbringen, um im Notfall zumindest zu wissen, welchen Experten er hinzuziehen muss. Kleinere Drechsel- und Schnitzarbeiten führen die beiden selbst aus. Selten bestehe ein Objekt aber aus nur einem Material, sagt Richard. So hat das Ehepaar für größere Arbeiten immer Vergolder, Tapezierer oder Metallrestauratoren seines Vertrauens bei der Hand.

Das Schönste an ihrem Beruf sei die Freude, wenn ein Stück gut gearbeitet ist, sagt Richard Addison. „Wenn man den Erzeuger beneiden kann und er die Latte hochgelegt hat.“ Das sei dann „a good challenge“, ergänzt er lachend. Solche kunstvoll gearbeiteten Möbelstücke sollten in Würde altern dürfen – die Aufgabe von Andrea und ihm sei es, sie so behutsam wieder instand zu setzen, dass sie ihre Patina und das Gefühl, das ihre Eigentümer mit ihnen verbinden, nicht einbüßen. „Die Geschichte des Möbels soll auch nach seiner Restaurierung lesbar bleiben“, ergänzt Andrea. Gebrauchsspuren, Kratzer, Verfärbungen – wenn man all diese Spuren von einem jahre-, manchmal jahrhundertelangen Leben ausmerze, indem man die Oberfläche abschleift und poliert, ginge ein ganz bedeutender Teil der Handarbeit verloren. Diese Philosophie verfolgen die Addisons nun seit ihrer Ankunft in Österreich – „und die Kunden waren ohne Ausnahme über die 13 Jahre hinweg immer zufrieden“.

Der Kundenkreis, der sich eine aufwendige Möbelrestauration leisten kann, dürfte zwar auch in den kommenden Jahren überschaubar bleiben. Dennoch scheint die Zeit auf der Seite der Addisons zu sein: Die Bandbreite an Möblestücken, die unter den Begriff Antiquität fallen, wird größer statt kleiner. Andrea: „Jugendstil war für meinen Chef noch modernes Zeug. Heute liegt die Grenze irgendwo in den Sechzigern.“

Das Atelier der Addisons

In der Diefenbachgasse 22
nahe dem Wienfluss im 15. Bezirk liegt die Werkstatt von Andrea und Richard Addison. 2004 machte sich das Ehepaar nach Berufsjahren in England und Wien selbstständig. Vor drei Jahren fanden sie ihr heutiges Atelier.

Das handwerkliche Angebot
der beiden Möbelrestauratoren reicht von konstruktiven Reparaturen und Ergänzungen am Holz über Schnitz- und Drechslerarbeiten bis hin zu kleineren Tapezierer-, Metallrestaurierungs- und Vergolderarbeiten.

Alles Weitere unter:www.addison.at oder 01/892 00 78 bzw. 0676-880 88 670

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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