Julia Koschitz: „Wienerisch ist mir vertraut“

Bereitet sich jedes Mal akribisch auf ihre Rollen vor: Julia Koschitz. [
Bereitet sich jedes Mal akribisch auf ihre Rollen vor: Julia Koschitz. [ (c) Imago/Horst Galuschka
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Sie möchte Filme machen, die sie selbst gern sehen würde: Julia Koschitz über ihren langsamen Weg – und das Österreichische an ihrer Erziehung.

Wenn Julia Koschitz mit ihrer mädchenhaften Stimme erzählt, klingt es, als würde eine Ich-Erzählerin durch einen Film führen. Nur dass es kein fertiges Drehbuch gibt. Koschitz macht Pausen, denkt nach, bricht Sätze ab und formuliert sie neu.

Vielleicht ist es gerade dieses Nachdenkliche, das sie zu einer guten Schauspielerin macht. Für ihre Film- und Fernseharbeit wird die 42-jährige Wahlmünchnerin in Deutschland hoch gelobt. In Österreich – im heute und morgen laufenden Zweiteiler „Das Sacher“ spielt sie eine jüdische Verlegerin – hat sie bisher indes selten gedreht (sieht man von der Arbeit mit Andreas Prochaska ab, mit dem sie „Das Wunder von Kärnten“ und gerade „Spuren des Bösen“ gemacht hat.) Und das, wo sie doch eigentlich Österreicherin ist.

„Hier gibt es so wunderbare Schauspieler, vielleicht gibt es einfach keinen Bedarf“, bietet Koschitz im Gespräch mit der „Presse“ als möglichen Grund an. „Vielleicht bin ich auch einfach sprachlich nicht als richtige Österreicherin einsetzbar.“ Dabei haben ihre Eltern in den fast 30 Jahren, die sie in Belgien und Deutschland gelebt haben, „ihr Wienerisch nie abgelegt. Es ist mir sehr vertraut.“ Richtig übernommen habe sie es – in Belgien geboren, in Frankfurt aufgewachsen – aber nicht. „In Hessen wäre es doch exotisch gewesen.“

Ihre Erziehung sei dennoch spürbar österreichisch. „Ich wurde als Kind und Jugendliche unfassbar oft darauf hingewiesen, dass ich nicht so unangenehm höflich sein soll, und die Dinge doch einfach sagen soll, wie sie sind.“ Auch ihre Wien-Besuche – bei den Großeltern, beim älteren Bruder – waren häufig. Und als sie nach der Schule „nicht wusste, was aus mir werden soll, war mir trotzdem klar, dass ich nach Wien kommen möchte“. Schon damals: der Zweifel. „Ich beneide niemanden, der sich in diesem Alter in einer ähnlichen Sinnkrise befindet“, erinnert sie sich heute an die Zeit zurück. „Weil ich es als sehr schwer empfunden habe, eine so wichtige Entscheidung zu treffen, ohne zu wissen, was sie für die eigene Zukunft bedeutet.“

Die Bühnenleidenschaft gab es da freilich schon. Mit zwölf wollte sie auf das Ballettinternat, wurde aber mangels körperlicher Voraussetzungen abgelehnt. Später wollte sie einen Beruf hinter den Kulissen finden, Bühnenbild, „aber ich war zu spät dran für die Bewerbung und hab mich erst einmal in Theaterwissenschaften eingeschrieben“. So kam es, dass sie in Wien viel ins Theater ging, ein Jahr später wurde sie im Schauspielfach am Franz-Schubert-Konservatorium aufgenommen. „Überzeugt, dass das mein Weg ist, war ich aber erst viele Jahre später. Das hat gebraucht.“

„Filme, die ich schauen würde“

Ihre Lehrjahre verbrachte sie am Landestheater Coburg „in der tiefen Provinz“, mit der Möglichkeit, sich auszuprobieren. „Dort habe ich dann für mich die Weichen gestellt – wenn man da überhaupt eine Wahl hat.“ Ob man im Leben immer die Wahl habe, darüber grübelt sie oft. Sehr wohl hat sie sie bei der Auswahl der angebotenen Rollen. Wobei, und das hört man selten, ihr die Rolle weniger wichtig sei als Drehbuch, Regie und Kollegen. Sie wisse, sagt Koschitz, dass es ein schwer erreichbares Ziel sei, „aber ich möchte gern an Projekten teilhaben, die ich mir als Zuschauer selbst anschauen würde“. Mit Karriereplanung habe das nichts zu tun. „Ich hab keine Ahnung von Karriereplanung. Aber ich tue mir schwer, wenn ein Buch für mich nicht schlüssig ist oder mit Menschen zu arbeiten, die gar keinen Erzähldrang haben.“

Geschadet hat es ihr in der öffentlichen Wahrnehmung nicht, „auch wenn es ein unglaublich langsamer Weg ist, den ich da gemacht habe. Und es Zeiten gab, in denen ich das Gefühl hatte, ich trete auf der Stelle. Obwohl sich de facto natürlich schon etwas bewegt hat. Das Schlimme ist ja, dass man Enttäuschungen viel stärker wahrnimmt als die positiven Ereignisse im Leben.“ Wirklich geholfen habe jedenfalls „Shoppen“, ihr erster Kinofilm, und in Folge die Fernsehserie „Doctor's Diary“. Überhaupt war sie zunächst in Komödien unterwegs, ehe sie als Krebskranke im Fernsehfilm „Uns trennt das Leben“ auch in einer dramatischen Rolle reüssierte. Die Kombination aus lustig und traurig war dann „Hin und weg“, jenes Roadmovie, in dem ihr „Doctor's Diary“-Kollege Florian David Fitz zur Sterbehilfe nach Belgien radelt. „Schwere Themen mit Humor und Leichtigkeit zu erzählen“, sagt Koschitz, „das ist etwas, das ich auch als Zuseher gern mag.“

Überhaupt liebe sie Filme, „die etwas über das Leben erzählen, das wir kennen, das aber komischerweise anscheinend so wahnsinnig langweilig sein muss, dass wir immer von Morden und Totschlag erzählen müssen. Ich habe eine Sehnsucht nach Themen, die ich nachvollziehen kann.“ Um das zu finden, geht sie gern ins Kino, „gern unter Menschen, weil sich dadurch ein Dialog ergibt“. Fernseher hat sie keinen. Gute Serien hätten für sie zu viel Suchtpotenzial, zappen deprimiere sie, und überhaupt, „ich habe beschlossen, ich möchte lieber lesen“.

Dass sie für „Das Sacher“, ihren ersten Historienfilm, mit Österreichern von Strauss bis Palfrader vor der Kamera stand, freut sie. Sie möge hiesige Filme, zumal es in Österreich mehr Mut zu Eigenwilligem gebe – und Haders und Dorfers „Indien“ sei für sie überhaupt ähnlich prägend gewesen wie „Lola rennt“. Aufs „Sacher“ vorbereitet hat sie sich mit Stefan Zweig und Monika Czernin: „Das Letzte Fest des alten Europa. Anna Sacher und ihr Hotel“. Unbedingt wollte sie etwa herausfinden, welcher gesellschaftliche Kodex in Bezug auf körperliche Kommunikation galt. Der Ruf, sich akribisch vorzubereiten, eilt Koschitz voraus. „Ich frag mich immer, ob ich dieses Gerücht in die Welt gesetzt hab“, lacht sie. „Aber vielleicht stimmt es ja auch.“

Zur Person

Julia Koschitz wurde am 26. Dezember 1974 als Tochter österreichischer Eltern in Brüssel geboren. Sie wuchs in Frankfurt auf, studierte Schauspiel in Wien und lebt in München. Ihre Arbeit für das Fernsehen begann sie mit Komödien („Doctor's Diary“), es folgten u. a. „Das Wunder von Kärnten“, „Ruhm“, „Hin und weg“ und die Lenz-Verfilmung „Schweigeminute“. Heute und morgen ist sie in „Das Sacher“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2016)

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