Kerrys letzter Appell an Israels Regierung

Kerry: Zweistaatenlösung einzige Möglichkeit für Nahost-Frieden
Kerry: Zweistaatenlösung einzige Möglichkeit für Nahost-FriedenAPA/AFP/PAUL J. RICHARDS
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Der US-Außenminister beharrte in Grundsatzrede auf Bildung eines Palästinenserstaats. Netanjahu und Trump übten Kritik.

Die Zweistaatenlösung als einziger Weg zum Frieden im Nahen Osten: Das war einer der Kernpunkte der Grundsatzrede des scheidenden US-Außenministers John Kerry. „Keine US-Regierung hat mehr für die Sicherheit Israels getan als die von Barack Obama“, sagte Kerry am Mittwoch. Trotz der Anstrengungen des scheidenden US-Präsidenten sei die Zweistaatenlösung in der heutigen Lage „ernsthaft gefährdet“. Ein Ausweg aus der verfahrenen Lage könne nur die Bereitschaft der Konfliktparteien sein, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dafür sei es noch nicht zu spät.

Doch Kerrys Grundsatzrede, ein letzter Appell für einen neuerlichen Anlauf in den Friedensbemühungen, war international von lauten Störgeräuschen begleitet. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Abend von einer „gegen Israel gerichteten Rede“. Kerry sei kaum auf die Wurzel des Konflikts – der palästinensische Widerstand gegen einen Judenstaat – eingegangen und habe sich „obsessiv“ mit den israelischen Siedlungen beschäftigt.

Der designierte US-Präsident Donald Trump, der Barack Obama am 20. Jänner 2017 im Amt ablösen wird, setzte gestern eine seiner gewohnt undiplomatischen Twitter-Meldungen ab. Er rief Israel „zum Durchhalten“ auf, bis er das Präsidentenamt antreten würde. „Wir dürfen Israel nicht länger mit solch totaler Verachtung und Respektlosigkeit behandeln“, schrieb Trump. Er werde eine andere Haltung einnehmen, versicherte er.

Obama wolle Trump „Fesseln anlegen“

Öl ins Feuer hatte vor Kerrys Rede schon der israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, gegossen. Er nannte die Ansprache einen „armseligen und undemokratischen Schritt“. „Sie wird dazu führen, dass die Palästinenser sich in den Positionen eingraben, die Kerry nennt, und sie als Vorbedingung für künftige Verhandlungen einfordern“, sagte Erdan. Die Obama-Regierung vertrete propalästinensische Positionen und wolle dem neuen Präsidenten „Fesseln anlegen“. Seit der Verabschiedung der UN-Resolution in der Vorwoche, die Israel zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den Palästinensergebieten aufruft, ist die Atmosphäre zwischen Washington und Jerusalem angespannt.

Die USA hatten die Verabschiedung überraschend nicht wie bisher mit ihrem Veto verhindert, sondern sich der Stimme enthalten. 14 Länder stimmten dafür. Zur Enthaltung seiner Regierung im UN-Sicherheitsrat sagte der Außenminister, man habe im Einklang mit amerikanischen Werten gehandelt. Es sei ein Bemühen gewesen, an einer Zweistaatenlösung festzuhalten. In Israel betrachtet man das Verhalten des traditionellen Verbündeten als groben Affront. Netanjahu hat gar erklärt, es bestünde kein Zweifel, dass die Regierung von Barack Obama hinter der Resolution stehe und sie die Formulierung mit Ägypten und den Palästinensern ausgearbeitet habe.

Bau von Haus bewilligt

Von israelischer Seite drohte am Mittwoch ebenfalls ein Affront. Die Wohnbaukommission wollte gestern dem Bau von 492 Gebäuden in den Siedlungen Ramat Shlomo und Ramot stattgeben. Vonseiten Netanjahus hat es dann geheißen, dass die Entscheidung angesichts der Ansprache des US-Außenministers vertagt werden solle. Bewilligt wurde gestern allerdings der Bau eines vierstöckigen Hauses für jüdische Siedler in Ostjerusalem – ein trotziges Signal an Washington, dass man an der Bebauungspolitik im Prinzip festhalten wolle.

Israel hatte im Sechs-Tage-Krieg 1967 den Ostteil Jerusalems erobert, in der die historische Altstadt mit der für die Juden heiligsten Stätte des Tempelberges liegt, und ihn später auch formell annektiert. Derzeit leben rund 430.000 jüdische Siedler im besetzten Westjordanland und mehr als 200.000 in Ostjerusalem.

US-Präsident Obama und viele andere westliche Politiker sehen im Bau der Siedlungen in den besetzten Gebieten ein Haupthindernis für die Konfliktlösung. Friedensgespräche verfolgten viele Jahre lang die Gründung eines Palästinenserstaats; seit 2014 sind die Verhandlungen aber praktisch zum Erliegen gekommen. Obama, der einen diplomatischen Durchbruch im Nahen Osten erzielen wollte, ist damit gescheitert. (APA/DPA/red.)

(APA/dpa)

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Die Rede des US-Außenministers werde dazu führen, "dass die Palästinenser sich in den Positionen eingraben, die Kerry nennt", sagt Gilad Erdan.

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