China kritisiert Besuch des japanischen Premiers in Pearl Harbor

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Japans Regierungschef, Shinzo Abe, und US-Präsident Barack Obama gedachten auf Hawaii des japanischen Angriffs auf die US-Flotte im Jahr 1941. In Peking fordert man jedoch, dass sich Japan für Kriegsverbrechen in China und anderen ostasiatischen Ländern entschuldigt.

Tokio. Es war ein emotionaler Moment, auf den so viele Amerikaner und Japaner lange gewartet hatten. US-Präsident Barack Obama und der japanische Premierminister, Shinzo Abe, gedachten am Mahnmal USS Arizona auf Hawaii der 2403 Toten, die bei dem japanischen Überraschungsangriff auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 ums Leben gekommen waren. Damals hatten 353 japanische Flugzeuge ohne Vorankündigung den strategisch bedeutsamen US-Marinestützpunkt auf Hawaii bombardiert, alle acht dort ankernden Schlachtschiffe wurden entweder versenkt oder schwer beschädigt, dazu ein Dutzend anderer Schiffe wie Kreuzer und Zerstörer.

188 US-Flugzeuge wurden großteils am Boden zerstört. Die Japaner verloren 29 Flugzeuge sowie fünf Mini-U-Boote, die in den Hafen eindringen wollten, insgesamt starben 64 ihrer Piloten und Seeleute. Daraufhin traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein.

75 Jahre nach diesem „Tag der Schande“, wie ihn der damalige US-Präsident, Franklin D. Roosevelt, verdammte, demonstrierten die Regierungschefs beider Staaten Trauer, Versöhnung und Eintracht. Weiße und violette Lilien schmückten ihre beiden Kränze, vor denen sich Abe und Obama tief verneigten. Anschließend streuten die Staatsmänner hawaiische Orchideenblüten ins Meer. Der japanische Premier erklärte sein „aufrichtiges und immerwährendes Beileid“.

„Abe hat den falschen Platz gewählt“

Die Reaktionen auf das gemeinsame amerikanisch-japanische Gedenken auf Hawaii fielen in Japan am Mittwoch eher gemischt aus. Der Besuch wurde in den Medien als „ein Akt der symbolischen Gegenseitigkeit“ angesehen. Die „Japan Times“ wies auf die anhaltende Kritik aus Peking hin. China stehe auf dem Standpunkt, dass sich Japan zuerst mit jenen Ländern Asiens, die unter den Kriegsaggressionen gelitten hatten, aussöhnen müsste.

Aus China kam am Mittwoch Kritik: Die „Global Times“ in China schrieb, der japanische Premier Abe habe „den falschen Platz und die falsche Richtung für eine Harmonisierung in historischen Fragen“ ausgewählt. Er sollte an Orten wie Nanking, der Marco-Polo-Brücke in Peking oder in den koreanischen Hauptstädten Seoul und Pjöngjang der japanischen Kriegsverbrechen gedenken.

Nur wenige Stunden nach Abes Besuch auf Hawaii besuchte denn auch einer seiner Minister den Yasukuni-Schrein in Tokio, in dem neben Millionen Kriegstoten auch mehrerer, als Kriegsverbrecher verurteilter japanischer Militärs gedacht wird. Masahiro Imamura, der für den Wiederaufbau nach der Tsunamikatastrophe von 2011 zuständig ist, beteuerte, dass kein Zusammenhang mit der Reise des Premiers nach Pearl Harbor bestehe. Vielmehr habe er am Yasukuni-Schrein für Japans Frieden und Wohlstand gebetet. Besuche der Gedenkstätte in Tokio durch hochrangige japanische Politiker lösten in den vergangenen Jahren immer wieder harsche Proteste Chinas aus.

Obama sieht „Signal des Friedens“

In Pearl Harbor dankte Abe den USA dafür, dass sie Japan nach dem Krieg mit Versöhnungsbereitschaft begegnet seien. „Der gute Wille und der Beistand, den ihr uns Japanern entgegengebracht habt – dem Feind, den ihr so verbissen bekämpft habt –, zusammen mit dem enormen Geist der Toleranz, haben sich tief in die Herzen und Köpfe unserer Väter und Mütter eingegraben. Auch unsere Kinder und Enkel werden nie vergessen, was ihr für uns getan habt.“ Und er fügte hinzu: „Wir dürfen die Schrecken des Krieges niemals wiederholen.“

Obama entgegnete, von dem gemeinsamen Besuch in Pearl Harbor solle ein Signal des Friedens ausgehen. „Ich hoffe, dass wir gemeinsam die Botschaft an die Welt senden, dass es im Frieden mehr zu gewinnen gibt als im Krieg. Und dass Versöhnung mehr bringt als Vergeltung.“ Die Annäherung beider Feinde nach dem Krieg sei eine Mahnung, was möglich sei zwischen Nationen und Völkern.

Nach ihren offiziellen Statements begrüßten Abe und Obama drei Überlebende der Attacke auf Pearl Harbor. Abe rang um Fassung, während er sich zu ihnen herunterbeugte, um ihnen symbolisch auf Augenhöhe zu begegnen. Dabei erhielt er ein unerwartetes Pardon: Schon im Vorfeld hatte er erklärt, dass er sich nicht explizit bei den Opfern entschuldigen wolle. Die Veteranen bestanden aber gar nicht darauf. „Da gibt es nichts zu entschuldigen, die USA und Japan sind heute Freunde“, sagte Everett Hyland, der an Bord der schwer getroffenen USS Pennsylvania gedient hatte. „Krieg ist eben Krieg.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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