Justiz klagt Ex-Präsidentin Kirchner an

Former Argentine President Fernandez de Kirchner leaves her home to go to court in Buenos Aires
Former Argentine President Fernandez de Kirchner leaves her home to go to court in Buenos AiresREUTERS
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Der früheren Staatschefin werden Korruption und die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen. Ihr Vermögen wurde in Höhe von fast 500 Mio. Dollar eingefroren.

Buenos Aires. Nur zwei Stunden nach der Anklage gegen sie folgte Cristina Kirchners Antwort: In einer Serie von 23 Twitter-Nachrichten legte Argentiniens Ex-Präsidentin dar, dass sämtliche Vorwürfe gegen sie nichts anderes seien als eine Verfolgung aus politischen Motiven. In einer Kurznachricht schrieb sie: „Sämtliche Diktaturen verfolgten Oppositionelle mit dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung.“

Tatsächlich lautet der Vorwurf gegen die 63-Jährige in der fast 800 Seiten starken Anklageschrift auf „betrügerische Amtsführung“ und „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Der Bundesrichter Julián Ercolini sieht erhebliche Indizien dafür, dass Kirchner, gemeinsam mit dem Bauunternehmer Lázaro Báez und mehreren Spitzenbeamten ihrer Administration, eine Bande bildete, um systematisch öffentliche Gelder abzuzweigen. Die Vorwürfe beziehen sich auf Kirchners Heimatprovinz, Santa Cruz, wo von 2003 bis 2015 mehr als 80 Prozent der öffentlichen Bauaufträge an Firmen des ebenfalls angeklagten Bauunternehmers Báez gingen – zu Preisen, die erheblich über dem Marktwert lagen.

Obwohl Báez – im Gegensatz zu allen anderen Baufirmen – stets innerhalb von 30 Tagen bezahlt wurde, und obwohl vielfach Vorschüsse überwiesen wurden, stellten seine Unternehmen nur einen Teil der Projekte fertig. Auf vielen Straßen, die seit mehreren Jahren ausgebaut sein sollen, befindet sich heute noch nichts als Schotter.

Um Millionen überteuert

Die 52 öffentlichen Projekte, die Firmen des „grupo Báez“ zugeschlagen bekamen, hatten ein Gesamtvolumen von umgerechnet fast drei Milliarden Dollar, und sie waren, so der Bundesrichter, im Durchschnitt um 15 Prozent, also insgesamt um etwa 450 Millionen Dollar überteuert. Darum verfügte der Richter, von Kirchners Vermögen einen Gesamtbetrag von zehn Milliarden Pesos, knapp 500 Millionen Dollar, einzufrieren. Die Ex-Staatschefin hatte zuletzt ihr Gesamtvermögen auf fünf Millionen Dollar beziffert, allerdings sind inzwischen auch sämtliche Vermögenserklärungen der Regierungsjahre des Ehepaars Kirchner Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen.

Es wird davon ausgegangen, dass Kirchner Einspruch gegen die Anklage einreicht. Sollte diesem nicht stattgegeben werden, muss die Ex-Präsidentin im kommenden Jahr mit einem öffentlichen Strafprozess rechnen. Die Höchststrafe für die ihr vorgeworfenen Delikte beträgt zehn Jahre. Weil Kirchner nicht vorbestraft ist, und weil sie bislang sämtliche Justiztermine wahrgenommen hat, verzichtete der Richter auf die Verhängung einer Untersuchungshaft.

Kommendes Jahr wird Kirchner sicher in einem anderen Verfahren auf der Anklagebank sitzen: Ihre Regierung soll 2015 auf dem Future-Markt Devisen unter Markt verkauft haben, die Nachfolgeregierung Macri bemängelte einen Schaden von über drei Milliarden Dollar für die Staatskasse. Dieser Prozess, der sich um (Fehl-)Entscheidungen der formell unabhängigen Zentralbank dreht, wird allgemein als weniger gefährlich für Kirchner angesehen als die anderen Verfahren.

Außer der nun zur Anklage gebrachten Causa sind noch zwei weitere Korruptionsermittlungen anhängig, die sich um die vermeintlichen Rückzahlungen des Bauunternehmers an Kirchner drehen. Báez und ein anderer Kirchner-naher Unternehmer namens López hatten jahrelang Immobilien und Hotels der Familie Kirchner gemietet, aber nicht genutzt. Die Justiz vermutet, dass so ein Teil der abgezweigten Gelder ins Privatvermögen Kirchners zurückfloss.

Ein Strohmann der Familie?

Gegen Báez, der seit März im Gefängnis sitzt, läuft ein Prozess wegen Geldwäsche. Im Laufe dieser Ermittlungen fand die Justiz Hunderte Immobilien und Grundstücke im Besitz von Báez. Allerdings wird vielfach vermutet, dass der Bauunternehmer tatsächlich ein Strohmann der Familie Kirchner ist. Báez war vor Kirchners Amtsübernahme ein unbedeutender Kassierer in einer Bankfiliale in Santa Cruz. Sein Konzern wurde 16 Tage vor der Amtsübernahme Néstor Kirchners am 25. Mai 2003 gegründet und bekam dann sofort üppige Aufträge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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