Die Ermittler erstellen keinen Haftbefehl gegen den 40-jährigen Tunesier. Sie halten das IS-Bekennervideo des mutmaßlichen Berlin-Attentäters für echt.
Es war als weiterer Durchbruch in den Ermittlungen im Fall des mutmaßlichen Berlin-Attentäters Anis Amri verkauft worden: Die Festnahme eines angeblichen Kontaktmannes. Doch der 40-jährige Tunesier ist wieder auf freiem Fuß. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich "nicht um die mögliche Kontaktperson von Anis Amri handelt", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe. Es sei daher kein Antrag auf Haftbefehl gestellt worden. Die Nummer des Mannes war in Amris Handy gespeichert gewesen.
Weiter sagte die Sprecherin, die Ermittler hielten das nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) veröffentlichte Bekennervideo für echt. "Das Bekennervideo ist unseren Ermittlungen zufolge authentisch", sagte sie. Es zeige nach Einschätzung der Ermittler den terrorverdächtigen Amri.
Die Untersuchungen zu Amris Fluchtweg nach dem Attentat hätten gezeigt, "dass er über die Niederlande nach Frankreich und Italien gereist ist". Dies belegten ein Zugticket und eine Simkarte. Sowohl auf den polnischen Lastwagenfahrer in Berlin als auch auf die Polizisten in Mailand sei aus einer Waffe mit Kaliber 22 geschossen worden. Ob es dieselbe Waffe gewesen sei, werde nun ballistisch untersucht.
Kein Hilfsnetz in Italien
Amri soll beim Anschlag mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember zwölf Menschen getötet haben, darunter den polnischen Fahrer des gekaperten Sattelschleppers. Etwa 50 weitere Menschen wurden bei dem Attentat verletzt, viele von ihnen schwer. Amri war den Sicherheitsbehörden bekannt und wurde auch überwacht, jedoch nicht mehr zum Tatzeitpunkt.
Noch ein zweiter Verdacht zerstreute sich am Donnerstag: Laut der italienischen Regierung hatte Amri keine besonderen Kontaktnetze in Italien. Es gäbe keine Hinweise, dass Amri in Italien mit einem Hilfsnetz rechnen konnte, sagte der italienische Premier Paolo Gentiloni bei einer Pressekonferenz zum Jahresende in Rom.
"Wir müssen die Kontrollen verschärfen. Drohungen können zwar aus dem Ausland kommen, doch die Radikalisierung der Fundamentalisten erfolgt oft in unseren Ländern, in unseren Gefängnissen", sagte der Premier.
Kein europäisches Land sei vor der Terrorgefahr sicher. Seine Regierung tue das Möglichste, um Sicherheit zu garantieren, sagte der Ministerpräsident. So sollen 7000 Soldaten einen sicheren Rutsch ins neue Jahr garantieren, berichtete das Innenministerium. Die Militärs seien gemeinsam mit den Carabinieri und den Polizisten bei Anti-Terror-Kontrollen über Silvester im ganzen Land im Einsatz.
Terrorverdächtier abgeschoben
Zugleich sprach sich Gentiloni für eine Revision des Aufnahmesystems der Flüchtlinge aus. Abschiebungen sollten beschleunigt werden. Italien hat am Donnerstag einen 23-jährigen Tunesier ausgewiesen, der sich radikalisiert hatte. Der im lombardischen Brescia lebende Mann wurde vom Flughafen Rom Fiumicino mit einem direkten Flug nach Tunis in die Heimat zurückgeführt, teilte das italienische Innenministerium in Rom mit. Der Tunesier hatte enge Verbindungen zu einem marokkanischen IS-Kämpfer.
2016 hat Italien 66 Ausländer wegen Terrorgefahr ausgewiesen, seit Jänner 2015 waren es 132. Italienische Rechtsparteien hatten nach dem Anschlag in Berlin verstärkt zur Abschiebung von illegal lebenden Migranten aufgerufen.
(APA/AFP)