Die EU-Kommission verlangt eine "Klärung" der Prager Position. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus fordert eine Ausnahmeklausel im Bezug auf die Benes-Dekrete. Österreich lehnt Änderungen ab.
Tschechiens Premierminister Jan Fischer fährt heute nach Brüssel. Er wird mit EU-Kommissionspräsident Barroso zusammentreffen. Fischer wird Barroso darlegen, wie die Chancen für eine rasche Ratifizierung des EU-Reformvertrags in Tschechien stehen. Parlament und Senat in Prag haben das Dokument längst ratifiziert, was aber nach wie vor aussteht ist die Unterschrift von Präsident Vaclav Klaus, der will noch eine Zusatzklausel für Tschechien. Die EU-Kommission verlangt nun eine Klärung der Position Tschechiens.
Klaus werde letztlich unterschreiben, meint der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg. Es sei nur "eine Frage der Zeit". Wie der tschechische Premier Jan Fischer hofft auch Schwarzenberg, dass der Ratifizierungsprozess bis Jahresende abgeschlossen sein könnte. Auf ein Datum festlegen will er sich laut Ö1 Morgenjournal aber nicht.
Klaus fordert Fußnote zu Benes-Dekreten
Klaus fordert nach Aussage des schwedischen Ministerpräsidenten und derzeitigen EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt eine Ausnahme bei der Grundrechtecharta in Form einer Fußnote im neuen Vertrag. Klaus befürchtet, dass nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertriebene Sudetendeutsche auf Basis der Grundrechtecharta ihr Eigentum zurückfordern könnten. Die Benes-Dekrete von 1945 könnten ausgehebelt werden, meint er.
Klaus gehe es darum, nicht als "Umfaller" dazustehen, wenn er dann den Lissabon-Vertrag doch unterzeichnet, so Karel Schwarzenberg. Dass Klaus da ausgerechnet die Benes-Dekrete heranzieht, könne man als populistischen Akt ansehen. Denn sie seien in Tschechien kein wirklich zentrales politisches Thema - zum Ängste schüren reichen sie aber immer noch, so Schwarzenberg.
Verfassungsgericht in Brünn prüft
Außerdem will Klaus das Urteil des Verfassungsgerichts in Brünn abwarten: Dieses prüft zum zweiten Mal, ob das Reformwerk im Einklang mit der tschechischen Verfassung steht. Beide Kammern des Prager Parlaments haben dem Lissabon-Vertrag schon zugestimmt.
Die tschechische Regierung, die sich dieser Meinung zwar inhaltlich nicht anschließt, hat Klaus am Montag aber entsprechende Verhandlungen mit den EU-Partnern zugesagt. Die Gespräche über den Vertrag von Lissabon sollten beim EU-Gipfel am 29. und 30. Oktober in Brüssel stattfinden.
Österreich lehnt Änderungen ab
Die österreichische Regierung lehnt jedes Aufschnüren des EU-Reformvertrages von Lissabon als Entgegenkommen an Tschechien ab. "Der Lissabon-Vertrag wird nicht geändert", sagte SP-Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag nach dem Ministerrat. Auch Außenminister Michael Spindelegger (V) hatte am Rande der Regierungssitzung ein Aufschnüren des Vertrages als "undenkbar" bezeichnet. Einseitige Erklärungen oder Protokollanmerkungen seien "eine andere Frage".
"Wir wollen Klarheit darüber, was Klaus wirklich will und ob es sich dabei um die Position der Tschechischen Republik handelt", sagte Alexander Schallenberg, der Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger.
(Ag.)