Zwei Ausländer sind am Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Die Polizei sucht mithilfe von Fahndungsfotos nach dem Hauptverdächtigen, von dem auch ein Video aufgetaucht ist.
Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf einen Nachtclub in Istanbul sind am Flughafen der Stadt zwei Ausländer festgenommen worden. Die beiden Verdächtigen seien am Eingang des Abflugterminals des Atatürk-Flughafens festgenommen worden, meldete die Nachrichtenagentur Dogan am Dienstag, ohne Angaben zur Nationalität der beiden zu machen. Auch, ob es sich bei einem der beiden um den gesuchten Mann von den Fahndungsbildern handelt, war vorerst nicht bekannt.
Schon am Montag waren acht Verdächtige festgenommen worden. Details über den Hintergrund der Betroffenen waren ebenso noch keine bekannt, der Haupttäter soll jedenfalls nicht darunter gewesen sein.
Die Nachrichtenagentur DHA meldete, am Montagabend sei es außerdem zu einer Operation von Anti-Terror-Einheiten in Istanbul gekommen. Dabei seien Hubschrauber eingesetzt und Straßen gesperrt worden. Über Festnahmen bei dieser Razzia wurde nichts bekannt. Die Behörden veröffentlichten unterdessen neue Fahndungsbilder des Verdächtigen, auf denen das Gesicht des Gesuchten klar zu erkennen ist. Auch Aufnahmen von Überwachungskameras wurden veröffentlicht. In der Silvesternacht war ein Mann in den exklusiven Club eingedrungen, hatte um sich geschossen und dabei mindestens 39 Menschen ermordet.
Bei der Fahndung nach dem Angreifer ist auch ein Selfie-Video des Verdächtigen aufgetaucht. Auf dem von türkischen Medien am Dienstag veröffentlichten Video ist knapp 40 Sekunden lang zu sehen, wie ein Mann auf einem belebten Platz herumläuft und sich selbst und die Umgebung dabei offenbar mit einer Handy-Kamera filmt.
Türkischen Medienberichten zufolge wurde das Video in der Gegend des Taksim-Platzes im Herzen der Millionenmetropole aufgenommen. Der dunkelhaarige junge Mann spricht dabei nicht.
Jihadist aus Zentralasien?
Ersten Ermittlungen zufolge könnte es sich bei dem Attentäter um einen Jihadisten aus Usbekistan oder Kirgisistan handeln, wie türkische Medien berichten. Die Behörden veröffentlichten am Montag mehrere unscharfe Aufnahmen, die den Mann zeigen sollen. Möglicherweise hatte er Verbindungen zu jener Zelle, die vergangenen Juni einen Terroranschlag auf den Flughafen Atatürk mit 45 Toten verübt hat. Damals sprengten sich drei Männer, die aus Dagestan, Kirgisistan und Usbekistan stammen sollen, in der Ankunftshalle in die Luft. Zwar hat sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht zu dem Flughafenanschlag bekannt, aber türkischen Behörden zufolge waren die Attentäter IS-Mitglieder. Der mutmaßliche Drahtzieher dieser Zelle, der Tschetschene Ahmet Tschatajew, war anerkannter Asylwerber in Österreich.
„Abtrünniger Feiertag der Christen“
Auch hinter dem Terrorakt im Reina dürfte der IS stehen. Im Netz kursiert ein Bekennerschreiben, das den Attentäter als „heldenhaften Soldaten des Kalifats“ bezeichnet. Das Ziel sei deswegen der Club gewesen, weil dort „Nazarener“ – womit die Terroristen Christen meinen – „ihren abtrünnigen Feiertag“ begangen hätten. Die Erklärung ist nicht über die IS-eigene Propagandaseite Amaq verbreitet worden, daher wollten viele Experten die Echtheit noch nicht bestätigen. Ankara legt mehrere Terrorakte auf türkischem Boden dem IS zur Last, aber bekannt haben sich die Jihadisten nur zu einem Autobombenanschlag in der Kurdenmetropole Diyarbakır im November. Die Umstände dieses Attentates mit elf Toten sind aber nebulös, weil auch die PKK-Splittergruppe TAK die Tat für sich beansprucht. Derzeit kämpfen türkische Soldaten in Nordsyrien unter anderem gegen den IS.
Die türkische Regierung will den Ausnahmezustand um drei weitere Monate verlängern. Darüber werde das Parlament noch in dieser Woche abstimmen, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Dienstag in einer Rede vor Abgeordneten seiner konservativen Regierungspartei AKP.
Der türkische Geheimdienst dürfte offenbar mit Anschlägen in der Silvesternacht gerechnet haben. „Hürriyet“ schreibt, dass die Behörden bereits im Dezember mehrere Razzien durchführten. Auch soll der US-Geheimdienst Informationen über mögliche Anschläge weitergeleitet haben. Zudem hat der IS im November mehrere Bilder veröffentlicht, die mögliche Anschlagsziele in der Türkei zeigen, darunter die Istanbuler Universität. Auf Twitter lässt die Hochschule nun die Studenten wissen, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe.
Während mit Hochdruck nach dem Attentäter gesucht wird, sieht sich die türkische Religionsbehörde Diyanet mit einer Welle der Empörung und Wut konfrontiert. Der Theologe Mehmet Görmez, Leiter der Behörde, hatte Weihnachts- und Silvesterfeiern in einer Predigt als unislamisch bezeichnet. Gläubige sollten sich auf „eigene Werte“ besinnen und sich nicht mit den Feierlichkeiten „anderer Kulturen“ identifizieren. Damit attackierte Görmez auch den in der Türkei immer beliebter werdenden Brauch, Weihnachtsbäume aufzustellen und Geschenke zu verteilen. Predigten wie diese würden Attentate wie im Reina begünstigen, lautet nun die Kritik, zumal die Predigten der Behörde an Zehntausende Moscheen im In- und Ausland weitergeleitet werden.
Mit „Schachnovelle“ gegen Prediger
Zwar hat Görmez den Terrorakt im Reina verurteilt, aber seine Worte dürften ein Nachspiel haben. Mehrere türkische Organisationen haben Strafanzeige gegen den Theologen eingebracht; er habe das Volk durch die Predigt zu „Hass und Feindschaft“ aufgewiegelt. Zudem habe Diyanet gegen das türkische Grundprinzip des Laizismus verstoßen. Für weiteren Unmut sorgt die Forderung des umstrittenen und bekannten Predigers Ahmet Mahmut Ünlü, dass Muslime nicht Schach spielen dürften, da sie sonst verdammt seien. Schach sei sogar schlimmer als jegliches Glücksspiel. Als Antwort verbreiteten viele User in sozialen Medien diverse Schachtipps und Zitate aus Stefan Zweigs „Schachnovelle“.
(Ag./duö)