Schwarz-Grün in Tirol ist weiterhin auf Kuschelkurs

ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter mit seiner Stellvertreterin von den Grünen, Ingrid Felipe.
ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter mit seiner Stellvertreterin von den Grünen, Ingrid Felipe. (c) APA
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Nulldefizit, wirtschaftlich gute Aussichten und kein nennenswerter Koalitionszwist – die schwarz-grüne Koalition in Tirol sitzt fest im Sattel.

Wien. Von einer zukunftsweisenden Entscheidung sprach Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nach der Koalitionsvereinbarung mit den Grünen im Sommer 2013. Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung der bevorstehenden Nationalratswahl im Herbst. Bekanntermaßen ging sich auf Bundesebene Schwarz-Grün nicht aus, in Tirol aber stellte sich Platters Entscheidung für die Grünen – nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit der ÖVP mit der SPÖ – als durchaus beachtliche Erfolgsgeschichte heraus.

Nennenswerte, öffentlich ausgetragene Koalitionsstreitigkeiten blieben im Wesentlichen aus. Das Land steht wirtschaftlich hervorragend da, seit Jahren wird ein Nulldefizit erreicht. Personell gab es an der Regierungsspitze keine Änderungen. Die Unterbringung von Asylwerbern ging vergleichsweise unaufgeregt über die Bühne, einzig bei der Mindestsicherung gerieten die Koalitionsparteien in diesem Jahr aneinander, als die Grünen sich vehement gegen eine Deckelung aussprachen – eine Lösung wurde für 2017 angekündigt.

Darüber hinaus wurden bei jahrelang unlösbar scheinenden Problemen wie etwa den Gemeindegutsagrargemeinschaften (die Frage der Rückübertragung von ehemaligem Gemeindegut an die Gemeinden) Kompromisse gefunden und – in diesem Jahr – das sektorale Fahrverbot für Lkw mit Müll- und Schrottlast (also nichtverderblicher Ware) wieder eingeführt, nachdem es 2011 von der EU gekippt worden war. Das vor Kurzem beschlossene Budget von 2017 und 2018 sieht eine Novelle des Naturschutzgesetzes sowie ein 365-Euro-Jahresticket für öffentliche Verkehrsmittel vor, ein zentrales Wahlversprechen von Landeshauptmann-Stellvertreterin und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe.

In Sachen Transparenz gilt Tirol als Vorzeigeland. So sind etwa alle Regierungsbeschlüsse online einsehbar. Zudem werden alle Weisungen von Regierungsmitgliedern öffentlich gemacht. Sämtliche Petitionen von Bürgern können einem neu ins Leben gerufenen Petitionsausschuss vorgelegt werden, in dem öffentlich – und unter Beteiligung des Volksanwalts – darüber diskutiert wird, ob sie dem Landtag präsentiert werden. Bisher wurden die Petitionen lediglich den Regierungsparteien weitergereicht, die selbst über die Behandlung im Landtag befanden.

Mehrheit für aktuelle Koalition

Umfragen zufolge halten 71 Prozent der Tiroler Bevölkerung die Regierungsarbeit für gut oder sehr gut. Würde jetzt gewählt werden, hätte die Koalition wieder eine Mehrheit. Vor allem die Grünen profitieren von der Regierungsbeteiligung und kommen einer aktuellen Umfrage der „Tiroler Tageszeitung“ zufolge auf 17 Prozent (plus fünf Prozentpunkte), die FPÖ auf 25 Prozent, die SPÖ auf 13 und die ÖVP auf 33 Prozent. 37 Prozent der ÖVP-Wähler sprechen sich für die Fortsetzung von Schwarz-Grün aus, nur 20 Prozent wünschen sich Schwarz-Blau. Die Verlängerung der Zusammenarbeit über die 2018 bevorstehenden Landtagswahlen hinaus ist das dezidierte Ziel beider Parteien. In die Karten der schwarz-grünen Koalition spielte in der Vergangenheit auch, dass die Opposition zuletzt eher mit sich selbst beschäftigt war, als mit eigenen Ideen aufzuwarten.

Die SPÖ etwa lähmte sich selbst jahrelang mit einer Obmanndebatte, ehe erst im September dieses Jahres Ingo Mayr als Parteichef zurücktrat. Ihm folgte mit Elisabeth Blanik die Lienzer Bürgermeisterin nach. Die FPÖ tauschte sofort nach den verlorenen Wahlen ihren Landesparteiobmann aus – Gerald Hauser übergab an Markus Abwerzger. Auch unter dem Innsbrucker Rechtsanwalt kam die Partei lange Zeit nicht vom Fleck, ehe die Umfragewerte durch die Flüchtlingsdebatte mehr als verdoppelt wurden. Abwerzgers erklärtes Ziel ist es, eine Mehrheit für Schwarz-Grün zu verhindern und die FPÖ in die Regierung zu führen. (kb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2017)

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