Tirols Landeshauptmann Günther Platter spricht über die Unterbringung von Flüchtlingen in Tirol, die ungelöste Frage der Mindestsicherung und die Zusammenarbeit mit den Grünen.
Die Presse: Was waren die größten Herausforderungen für Ihre Regierung im vorigen Jahr?
Günther Platter: Die schwierigste Situation war sicher die Unterbringung der Asylwerber. Zudem mussten wir in Kufstein täglich bis zu 2000 Transitflüchtlinge versorgen. Wir haben es dennoch geschafft: In Tirol gibt es keine Großquartiere mehr, sondern nur noch kleinere Quartiere, die sogar noch Kapazitäten haben.
Bis zu den Gemeinderatswahlen im Februar war Tirol Schlusslicht bei der Unterbringung von Flüchtlingen, danach ging es schnell. Haben Sie absichtlich die Wahlen abgewartet, um Bürgermeistern im Wahlkampf nicht die Möglichkeit zu geben, sich gegen Quartiere in ihren Gemeinden zu stellen und damit zu versuchen, sich zu profilieren?
Nein, ich habe nicht bewusst gewartet. Aber rund um die Wahlen gab es kaum Bewegung bei der Suche nach Quartieren, weil es keine Gemeinderatssitzungen mehr gab, in denen man sich hätte darum kümmern können. Jede Absicht weise ich hier klar zurück.
Welche Herausforderungen gab es noch im vergangenen Jahr?
Beschäftigung und Wohnen. Wir haben in der Koalition ein Impulspaket mit 135 Millionen Euro geschnürt, um zusätzlich zu den 2000 geplanten Wohnungen 500 weitere zu errichten. Zudem gab es eine einkommensunabhängige Sanierungsoffensive, die mit 155 Millionen Euro an Investitionen verbunden war und Klein- und Mittelbetrieben zugutegekommen ist, die mit den Sanierungen beauftragt wurden. Dieses Erfolgsmodell wird 2017 erneut verlängert. Zudem haben wir Fünf-Euro-Wohnungen in Auftrag gegeben. Also Wohnungen, die inklusive Heizung fünf Euro Miete pro Quadratmeter kosten. Vorbild ist die Stadt Schwaz, wo derzeit das erste dieser Projekte entsteht. Daher rufe ich weitere Gemeinden auf, ebenfalls günstigen Grund zur Verfügung zu stellen, damit weitere solcher Wohnungen gebaut werden können und junge Menschen eine Zukunftsperspektive in Tirol haben. In Kitzbühel wurde dieses Projekt auch schon gestartet. Bei der Beschäftigung haben wir es geschafft, dass Tirol die mit Abstand deutlichsten Rückgänge bei der Arbeitslosenquote hat.
Die Koalition mit den Grünen verlief im vergangenen Jahr bemerkenswert harmonisch. Nur einmal gab es so etwas wie Krach – als es um die Mindestsicherung ging und Sie meinten, Sie haben niemanden in die Regierungsverantwortung gezwungen.
Vorher will ich noch das Doppelbudget für 2017 und 2018 ansprechen, das wir beschlossen haben und das erneut ein Nulldefizit vorsieht. Mein Motto lautet, keine Politik zulasten der nächsten Generation zu machen. Das bedeutet für mich: keine neuen Schulden und auch kein Ausverkauf des Tiroler Familiensilbers – das Land ist immer noch 100-Prozent-Eigentümer der Tiwag, der Wohnbauförderung und der Hypo Tirol. Zur Mindestsicherung: Da ging es um eine Aussage von Landesrätin Christine Baur, die vom „Ende der grünen Fahnenstange“ sprach. Drohgebärden gehen nun einmal nicht, da rede ich Tacheles.
Wie geht es weiter mit der Mindestsicherung in Tirol?
Wir verhandeln mit Salzburg und Vorarlberg, um eine gemeinsame Lösung im Westen Österreichs zustande zu bringen. Es ist schade, dass es zu keiner bundeseinheitlichen Einigung gekommen ist.
Sind Sie für eine Deckelung der Mindestsicherung?
Ich bin mit der ÖVP-Linie einverstanden. Aber ich halte es so, dass ich mich während Verhandlungen nicht einzementiere. Wenn sich alle einbetonieren, kommt nichts heraus. Ich hoffe jetzt auf eine Lösung für die Westachse Österreichs. Denn bei der Mindestsicherung wäre eine Wartefrist notwendig, bevor sie im vollen Umfang bezahlt wird.
Wie würden Sie die Stimmung in der schwarz-grünen Koalition beschreiben?
Ich habe schon in vielen Koalitionen gearbeitet. Natürlich gibt es unterschiedliche Standpunkte und ideologische Ansätze. Das Entscheidende ist immer das gegenseitige Vertrauen, und das ist vorhanden. Wenn etwas vereinbart wurde, wurde es auch eingehalten. Wir haben eine gute Zusammenarbeit, ich habe die Koalition keine Minute bereut.
Dann wollen Sie die Koalition über 2018 hinaus fortsetzen?
Das hängt vom Wahlergebnis und den Verhandlungen ab. Bei Koalitionen geht es mir immer darum, mit wem ich die Inhalte, die ich mir vorgenommen habe, umsetzen kann. Mit den Grünen haben wir von Anfang an Eckpunkte festgeschrieben und definiert, damit es später keine Stolpersteine gibt.
Die Stimmungslage wird auch Schwarz-Blau ins Spiel bringen. Die FPÖ befindet sich in Tirol seit Längerem im Umfragehoch.
Unseren Umfragen zufolge hat Schwarz-Grün immer noch eine Mehrheit. Die Stimmung hat auch viel mit der Effizienz der Bundesregierung zu tun. Da liegt einiges im Argen. Die ganzen Sticheleien und Wadlbeißereien – sowohl innerhalb der SPÖ als auch der ÖVP – müssen aufhören. Sonst gewinnt immer ein Dritter. Ich bin ja seit Jänner Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und werde das bei der nächsten Sitzung auch zur Sprache bringen. 2017 muss ein Arbeitsjahr werden.
2017 könnte aber auch ein Wahljahr werden.
Diese Spekulationen gehören in die Mottenkiste. Eine vorgezogene Neuwahl ist kein Szenario, das 2017 in Betracht gezogen werden sollte. Die Regierung wurde gewählt, um zu arbeiten und Reformen umzusetzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2017)