Syrien-Waffenruhe droht zu scheitern

Die Ruhe vor der nächsten Runde des Krieges? Rebellen in einem Schützengraben bei Douma, einem Vorort der syrischen Hauptstadt, Damaskus.
Die Ruhe vor der nächsten Runde des Krieges? Rebellen in einem Schützengraben bei Douma, einem Vorort der syrischen Hauptstadt, Damaskus.(c) REUTERS (BASSAM KHABIEH)
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Mehrere Rebellengruppen haben ihre Teilnahme an Gesprächen über Frieden in Syrien vorerst ausgesetzt. Sie werfen dem Regime vor, nahe Damaskus die Feuerpause zu verletzen.

Kairo. Die schlechte Nachricht aus Syrien: Die Rebellen haben angekündigt, ihre Teilnahme an Gesprächen einzufrieren, bei denen die von Russland und der Türkei gesponserten Friedensverhandlungen Ende des Monats in Kasachstan eigentlich vorbereitet werden sollten. Die gute Nachricht: Sie haben die Waffenruhe zumindest vorerst noch nicht aufgekündigt.

Genau das könnte aber als Nächstes geschehen. Denn in der gleichen Erklärung der syrischen Rebellengruppen, in der sie kundtaten, nicht mehr an den Verhandlungen teilzunehmen, erklären sie auch, sich nicht mehr an die Waffenruhe halten zu wollen, „wenn das Regime weiter schießt und fortfährt, die Feuerpause oft und im großen Stil zu verletzen“. Jede weitere Gebietseroberung seitens der Armee und der vom Iran unterstützen Milizen bedeute ein Ende der Waffenruhe, die seit Freitag in Kraft ist, warnen sie in einem Statement, das von Rebellengruppen unterzeichnet ist, die unter Schirmherrschaft der Freien Syrischen Armee stehen.

Konkret geht es laut der Erklärung um die Kämpfe in Wadi Barada, 15 Kilometer von der Hauptstadt Damaskus entfernt, wo die Regimetruppen unterstützt von Hisbollah-Kämpfern aus dem benachbarten Libanon versuchen, vorzurücken. Laut Rebellen soll Wadi Barada täglich mit Fassbomben angegriffen worden sein. Das Gebiet ist von großer strategischer Bedeutung, denn von dort kommt das Trinkwasser für vier Millionen Menschen in Damaskus.

Kein Trinkwasser in Damaskus

Das UN-Büro für Humanitäre Angelegenheiten berichtet, dass die Wasserversorgung seit 22. Dezember unterbrochen ist, aufgrund gezielter Zerstörungen der Infrastruktur, ohne allerdings zu sagen, wer dafür verantwortlich ist. Wadi Barada liegt auch in unmittelbarer Nähe eines wichtigen Versorgungswegs zwischen Syrien und dem Libanon, über den der Nachschub der Hisbollah läuft.

Mit den Kämpfen um Wadi Barada ist das gesamte Abkommen in Gefahr. Das Regime und seine iranischen Unterstützer scheinen dieses Risiko eingehen zu wollen, um das Kräftegleichgewicht rund um Damaskus weiter in ihrem Sinne zu verändern. Die Frage ist, wie sich Russland und die Türkei verhalten, die die Garanten für die Waffenruhe sind. Offen bleibt, ob Russland seine Verbündeten – das Regime und den Iran – in dieser Frage nicht kontrollieren kann, oder ob es unter der Hand einen russischen Freifahrtschein für die Eroberung Wadi Baradas gibt.

In jedem Fall ist damit Russlands diplomatischer Erfolg als möglicher „Friedensmacher“ gefährdet. Der UN-Sicherheitsrat segnete am Wochenende den Waffenruhe-Deal und die geplanten Friedensgespräche in Kasachstans Hauptstadt, Astana, ab. Offen bleibt auch, wie lang die Türkei die von ihr unterstützen Rebellengruppen noch davon abhalten kann, das Abkommen für null und nichtig zu erklären, wenn die Kämpfe um Wadi Barada weitergehen.

Der Waffenstillstands-Deal hatte von Anfang an zwei Schwachpunkte: Das Regime, das sich militärisch im Aufwind sieht, hat großes Interesse, die Gunst der Stunde zu nutzen und noch die Lage rund um Damaskus militärisch zu „bereinigen“. Der zweite Schwachpunkt ist, dass die Waffenruhe zwar landesweit gilt, dass aber Gruppen wie der IS, die kurdischen YPG und die Jabhat Fatah-al-Sham (JSF), die Nachfolgeorganisation der al-Qaida-nahen al-Nusra-Front, davon ausgeschlossen sind.

Vorwand für Regime-Angriffe?

Während sich die vom IS und von den Kurden kontrollierten Gebiete relativ einfach geografisch eingrenzen lassen, ist es an manchen Orten schwierig, die JSF und die anderen Rebellengruppen, die die Waffenruhe unterzeichnet haben und nicht angegriffen werden dürfen, auseinanderzudividieren. Die Rebellengruppen, die die Feuerpause akzeptieren, fürchten, dass die JSF-Karte dem Regime als Vorwand dient, die von ihnen kontrollierten Gebiete anzugreifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2017)

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